Vorstellungsgespräch auf der Weltbühne

Berlin wird die erste europäische Station auf Barack Obamas erster Auslandsreise in der kommenden Woche sein. Und von seiner geplanten Rede vor der Siegessäule erhofft sich der demokratische US-Präsidentschaftskandidat positive Jubel-Bilder für den Wahlkampf daheim.

Washington. Es ist eine Auslands-Reisepremiere im Sprintertempo - gespickt mit zahlreichen am Wegesrand wartenden Fettnäpfchen und begleitet von einer großen Journalistenschar, die jedes Wort und jeden Handschlag des Kandidaten für das Wählerpublikum zu Hause auf die Goldwaage legen dürfte.

Montag, Dienstag und Mittwoch steht für den US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama zunächst der Nahe Osten auf dem Programm, am Donnerstag dann Berlin als erste Station einer kurzen Europatournee, die auch noch Paris und London vorsieht. In der deutschen Hauptstadt will der Demokrat seine mit Spannung erwartete Rede zum künftigen transatlantischen Verhältnis Meldungen zufolge nun um 19 Uhr an der Siegessäule halten - ein Zugeständnis Obamas angesichts der vor allem von Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußerten Bedenken gegenüber einem Auftritt am Brandenburger Tor. Doch dieses wird immerhin von der "Goldelse" aus noch im Blickfeld des Senators sein, dessen weiteres Tagesprogramm unter anderem aus einem Empfang im Kanzleramt, einem Gespräch mit Außenminister Steinmeier und einem Fototermin besteht.

Im Obama-Lager entschloss man sich nach Angaben von Mitarbeitern zu dem Ortswechsel, weil man "die populärste deutsche Politikerin nicht beim ersten offiziellen Treffen brüskieren" wollte, so ein Obama-Berater. Ein seit der vergangenen Woche absehbares Entgegenkommen, das in den USA allerdings nicht überall Verständnis findet.

Erste außenpolitische Bewährungsprobe



Allgemein rechnet man damit, dass Obama in seiner Grundsatzrede - die er auf Drängen der deutschen Botschaft in Washington bewusst in Berlin und nicht Paris oder London hält - nicht nur eine bessere Berücksichtigung der Ansichten der transatlantischen Partner verspricht, sondern erneut deutlich macht, dass er ein stärkeres Engagement vor allem in Afghanistan erwartet - und dies auch auf Kampfeinsätze beziehen wird.

Obama erhofft sich dabei dennoch Begeisterung aus dem Publikum und positive Jubel-Bilder für den Wahlkampf daheim - sehr zum Ärger des Republikaners John McCain, der am Donnerstag bereits versuchte, die Luft aus der Auslandsreise des Rivalen zu lassen: Diese sei lediglich "eine Fortsetzung der Kampagne in Übersee", so McCain, und "ein politischer Stunt".

US-Medien und politische Beobachter sehen allerdings in dem Trip, von dem gestern immer noch wichtige Details als "geheime Kommandosache" unter Verschluss gehalten wurden, auch die erste große außenpolitische Bewährungsprobe Obamas. Die Reise sei ein "Vorstellungsgespräch auf der Weltbühne", urteilte jetzt das Nachrichtenmagazin "Time". Doch das wichtigste Publikum seien natürlich die Wähler daheim, von denen derzeit nur 48 Prozent Obama für einen guten "Oberkommandierenden" halten, während 72 Prozent dieses Prädikat John McCain zusprechen.

Nach einem Abstecher nach Jordanien am Montag will Obama Dienstag und Mittwoch in Israel - wo er mit allen politischen Spitzen reden will - und den Palästinensergebieten Station machen, wo er in Ramallah Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas treffen soll. Jüdische Wähler in den USA dürften mit Argus-Augen darüber wachen, ob Obama sich von Abbas zu einem Besuch am Grab des PLO-Idols Jassir Arafat überreden lässt, was aufgrund der terroristischen Vergangenheit des Verstorbenen politisch brisant wäre. In der Delegation Obamas wird sich unter anderem auch Dennis Ross befinden, der frühere Nahost-Unterhändler von Ex-Präsident Bill Clinton. Dies wird als Indiz dafür gewertet, dass Obama einer Konfliktlösung einen weitaus größeren Stellenwert zugestehen wird als dies heute Präsident Bush tut.

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