Wächst die Lust auf Kinder?

Die Zahl der Babys steigt, die Nachfrage nach Elterngeld ist rege. Ob junge Paare allerdings bereits generell eine neue Lust auf Kinder verspüren, ist umstritten. Fest steht dagegen, dass auch in Rheinland-Pfalz die Lust auf die "traditionelle" Familie schwindet.

Mainz. Der Wunsch nach Kindern wachse, verkündete Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen stolz, als das "Eurobarometer 2007" (Umfrage der EU-Kommission) für Frauen und Männer in Deutschland einen merklichen Anstieg der "idealen Kinderzahl" ausmachte. Lag die Wunschvorstellung bei Frauen 2001 noch durchschnittlich bei 1,96 und bei den Männern als Kindermuffeln nur bei 1,66, war 2006 mit Werten von 2,24 (Frauen) und 2,17 (Männer) ein deutliches Plus festzustellen. Erstmals seit Jahren gab es vor allem bei jungen Männern eine positive Bewegung. Auf den ersten Blick könnte naheliegen, dass sich die veränderte Einstellung auch bei der Nachfrage nach Elterngeld in Rheinland-Pfalz augenfällig niederschlug. Doch Familienforscher warnen vor voreiligen Schlüssen. Mehr als 17 000 Anträge gingen von Januar bis September 2007 ein. Fast jeder zehnte entfiel auf einen Mann. Damit hat sich der Anteil der Väter, die Elterngeld beziehen, im Vergleich zu dem vorherigen Erziehungsgeld vervierfacht. Allerdings: Noch nimmt jeder zweite Vater die Regelung nur für zwei Monate in Anspruch, und damit nur für die festgelegte Mindestzeit, um das Geld überhaupt zu erhalten. Die Mainzer Familienministerin Malu Dreyer sieht dennoch einen wirksamen Beitrag zur Familienförderung und hofft, dass sich der Anteil der Männer bei den Antragstellern weiter erhöht. Trend schlägt sich auch im Land nieder

Ein gewachsener Wunsch nach Kindern hat sich nicht nur bundesweit, sondern auch im Land ganz handfest niedergeschlagen. In den ersten acht Monaten des vergangenen Jahres wurden 20 860 Babys geboren, 462 (2,3 Prozent) mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Erstmals seit zehn Jahren gab es damit einen Zuwachs, nachdem zuvor Minusraten von bis zu fünf Prozent den Trend charakterisierten. Der Zuwachs an Babys ist über das ganze Land sehr unterschiedlich verteilt. Während etwa Städte wie Koblenz, Mainz oder Ludwigshafen deutlich zulegen, gab es in Trier ein Minus von 5,7 Prozent. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm und dem Vulkaneifelkreis erblickten über zehn Prozent mehr Kinder das Licht der Welt, in Trier-Saarburg gab es null Zuwachs, im Kreis Bernkastel-Wittlich ein leichten Rückgang (-1,4 Prozent). Für den Mainzer Soziologie- Professor Norbert Schneider ist allerdings ein Zusammenhang zwischen Elterngeld und steigender Baby-Zahl bislang wissenschaftlich nicht zu belegen. Er betrachtet auch die Zahlen des Eurobarometers mit großer Skepsis, weil sie vom bisherigen Trend eines schwindenden Kinderwunsches eklatant abweichen. Der Familienforscher ist überzeugt: Früher machten die Menschen gesellschaftliche und wirtschaftliche Gründe für unerfüllte Kinderwünsche verantwortlich, inzwischen sei jedoch der Kinderwunsch meist mit der tatsächlichen Kinderzahl identisch. Befragungen zur gewünschten Kinderzahl begegnet Schneider grundsätzlich mit großem Misstrauen, weil die Vorstellungen oft wenig konkret sind und von der aktuellen Partnerschaft abhängen. Eindeutig auf dem Rückzug war in den vergangenen Jahren dagegen die "traditionelle" Familie in Form von einem Ehepaar mit Kindern im Land. Stand Rheinland-Pfalz mit einem Anteil von 85 Prozent im Jahr 1996 bundesweit vorn, reicht es nun nur noch für einen Platz im Mittelfeld mit 77 Prozent. Jede vierte Familie besteht inzwischen aus einer Lebensgemeinschaft oder Alleinerziehenden mit Kindern.

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