Wahlkampf zum Gähnen

Nicht dabei und doch gewonnen: FDP-Chef Guido Westerwelle sieht die Liberalen als Sieger des Fernseh-Duells von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier am Sonntagabend. Hauptgesprächsstoff war unterdessen am Tag danach die fehlende Spannung des Duells.

Berlin. Die Einschaltquoten waren mit 14 Millionen Zuschauern deutlich geringer als erwartet, Kanzlerin Angela Merkel und Herausforderer Frank-Walter Steinmeier präsentierten sich weitestgehend handzahm, und trotz der Vorteile für den SPD-Mann gab es keinen klaren Sieger des "Kanzler--Duells". Fast genauso hatte sich das FDP-Präsidium den Fernsehabend vom Sonntag erhofft und ausgemalt - weshalb bei den Liberalen am Tag danach eine gewisse Erleichterung unüberhörbar war. Denn weil es keine Überraschungen gegeben hat, kann man nun unbeirrt die eigene Wahlkampfstrategie fortführen.

"Das war ja wirklich spannend", ätzte Parteichef Guido Westerwelle ironisch gegen die beiden Großen. Das Duell sei ein Abend gewesen, "der nach Großer Koalition roch aus allen Poren". Sehr viele Bürger seien deshalb mit einem "unzufriedenen Gefühl" zurückgeblieben, und die würden sich jetzt bestimmt für die FDP als Alternative entscheiden. Auch wenn er nicht teilnehmen durfte: Westerwelle ist mit seinen Liberalen der eigentliche Sieger des Duells - das war die Botschaft. Nervosität im Schlussspurt trotz ungünstiger Umfragen für Schwarz-Gelb wollte der FDP-Chef deshalb gar nicht erst aufkommen lassen. Schließlich ist die Rechnung des Oberliberalen ganz einfach: Was die Union mangels klarer Inhalte derzeit verliert, wird die FDP wieder auffangen. Und wer zugleich im Lager der Unentschlossenen keine Große Koalition mehr will, soll möglichst bei seiner Partei das Kreuz machen.

Auf die Frage, ob nach dem Duell eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen für die FDP attraktiver geworden sei, antwortete Westerwelle gestern mit einem knappen "Nein." Die Marschrichtung bleibt für ihn Schwarz-Gelb. Vorerst jedenfalls.

Gelassenheit also bei der FDP. Aber auch bei der Union. Öffentlich zur Schau gestellte Unsicherheit zwei Wochen vor der Bundestagswahl will man sich nicht mehr leisten. Selbst diejenigen, die nach den Landtagswahlen Ende August mit Kritik am Wahlkampfstil von Angela Merkel nicht hinter den Berg gehalten haben, schweigen nun solidarisch. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla ließ nach der Präsidiumssitzung erkennen, welche Richtung der Wahlkampf der Union nun einschlagen wird: Man will vor allem dem Anschein entgegentreten, dass Angela Merkel mit einer Fortführung der Großen Koalition liebäugelt. Diesen Eindruck konnte man während des Fernseh-Duells durchaus gewinnen. Eine Fortsetzung des Bündnisses in den nächsten vier Jahren sei "keine stabile Variante", betonte Pofalla. Die SPD werde dann angesichts ihrer "Zerrissenheit" bei der erstbesten Gelegenheit "zur Linkspartei fliehen". Auch sei Kandidat Steinmeier, der gestern neuen Wahlkampf-Elan beschwor, überaus unglaubwürdig, wenn er der FDP auf der einen Seite das "neoliberale Schreckgespenst" entgegenhalte, aber zugleich eine Zusammenarbeit mit Westerwelle nach der Wahl nicht ausschließe, meinte Pofalla weiter.

So soll nun noch stärker her-ausgestellt werden, warum man eine Koalition mit den Liberalen will.

Auch die CSU ist diesbezüglich nun offenbar auf Linie. Die Bayern waren in der Vergangenheit vor allem mit scharfen Attacken gegen den Wunschkoalitionspartner aufgefallen, jetzt kommen aus München versöhnlichere Töne: Bei den Themen Wirtschaft und Arbeitsplätze müsse stärker herausgearbeitet werden, warum ein Bündnis aus Union und FDP gut für das Land wäre, so gestern Ministerpräsident Horst Seehofer. Vor allem Steuerfragen sollten intensiver erklärt werden - offenkundig der wunde Punkt im Wahlkampf von Schwarzen und Gelben.

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