Wandern? Nein danke!

TRIER. Typisch deutsch - was ist dran am Klischee von der Biertrinker- und Lederhosen-Nation? Der TV lässt Ausländer zur Wort kommen, die die kleinen kulturellen Unterschiede auf die Schippe nehmen. Heute macht sich die Portugiesin Ana João Teixeira Mesquita da Trindade Gedanken über das Wandern.

Der Kontakt zur deutschen Kultur fing bei mir sehr früh an, weil ich seit der 5. Klasse die Deutsche Schule in Lissabon besuchte. Als Schülerin habe ich mich immer auf die Tage gefreut, an denen ich nicht zur Schule gehen musste. Egal, ob es Feiertage, Ferien, Klassenfahrten oder Projektwochen waren: Hauptsache kein Unterricht! Nur eines war fast so anstrengend wie Unterricht, nämlich die Wandertage! Ich habe noch das Bild vor meinen Augen: Die Deutschen liefen immer vorne weg, und die Portugiesen blieben hinten… Wenn ich eine portugiesische Schule besucht hätte, wäre das gar kein Problem gewesen, weil es nämlich so etwas dort nicht gibt. Natürlich machen auch portugiesische Schüler Ausflüge mit der Klasse, aber normalerweise besuchen sie irgendeine historische Stadt, ein Denkmal, ein Museum oder einen Park; nur Wandern kommt nicht in Frage! Anders als die Deutschen wandern die Portugiesen nicht gerne. Sie mögen zwar die Natur, aber sie liegen lieber am Strand und genießen das frische Wasser des Atlantiks und die Sonne. Eigentlich gibt es auch nicht so viele Gelegenheiten in Portugal zu wandern: Entweder ist es zu kalt oder zu warm dafür. Wenn es zu kalt ist, geht kein Portugiese aus der Wohnung. Und wenn es zu warm ist, muss man ans Meer fahren. Wandern ist eben eine Form des Gehens, und die Portugiesen fahren lieber mit dem Auto. Wenn die Portugiesen spazieren gehen, bedeutet das immer mit dem Auto irgendwohin zu fahren. Der Fahrer und die Begleitung sitzen dann im Auto und bewundern die Landschaft ohne auszusteigen. Ganz anders die Deutschen: Kaum lacht die Sonne, holen sie Rucksack, passende Hose, Wanderschuhe, Wanderkarte, Stock aus dem Keller, und ab geht's in die Natur! Wenn möglich sogar mit der ganzen Familie oder mit den Freunden vom Wanderverein. Je größer die Gruppe, desto besser! Nicht mal heute, nachdem ich seit vier Jahren in Deutschland wohne, kann ich die Begeisterung für das Wandern verstehen. Inzwischen kann ich mich zwar für die deutsche "frische Luft" und seit kurzem auch für kleinere Radtouren zwischen Kaiser-Wilhelm- und Römerbrücke begeistern, aber anstrengend darf es natürlich nicht sein! Ana JoãoTeixeira Mesquita da Trindade wurde 1975 in Portugal geboren. Sie hat inLissabon und Saarbrücken Übersetzung studiert und wohnt seit 2000 in Trier. Sie arbeitet für eine britische Fondsgesellschaft in Luxemburg.

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