Warnung vor wachsenden Begehrlichkeiten

Berlin. Der sture Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) tut anscheinend gut daran, sich trotz sprudelnder Steuereinnahmen nach Leibeskräften gegen die wachsenden Begehrlichkeiten seiner Ministerkollegen zu wehren. Glaubt man dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), "rollt auf Deutschland eine gewaltige Schuldenlawine zu".

Bei einer Schuldenquote von gut 68 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) oder 1,5 Billionen Euro könnte man meinen, dass die Lawine schon längst da ist. Aber: "Wenn die deutsche Finanzpolitik so weiter macht, wird diese Quote bis 2050 auf 239 Prozent steigen", prognostizierte gestern IW-Direktor Michael Hüther. Anfang der 90er-Jahre musste der Bund zwölf Prozent seiner Steuereinnahmen für Zinszahlungen verwenden, im abgelaufenen Haushaltsjahr waren es laut IW bereits 19 Prozent. Der Experte forderte deshalb dazu auf, das "finanzpolitische Klein-Klein" zu beenden. "Es fehlt ein Konzept, mit dem der Schuldenberg dauerhaft abgetragen werden könnte." Wachsende Einnahmen reichen nicht aus

Bund und Länder suchen allerdings derzeit in der Föderalismuskommission II nach Wegen, die Staatsverschuldung einzudämmen. Wirtschaftsaufschwung und wachsende Steuereinnahmen reichen dafür aber anscheinend langfristig nicht - parallel dazu müsse ein "rigoroser Konsolidierungskurs" gefahren werden. Was ganz im Sinne Steinbrücks ist. Irland etwa habe so seine Defizitquote von 10,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes 1986 in Überschüsse von zuletzt 1,2 Prozent verwandelt, meinte Hüther "Diese mutige Reformpolitik zahlt sich in Wachstum und Beschäftigung aus." Spanien und Großbritannien lieferten ähnliche Beispiele. Für die Bundesrepublik gelte: "Viele staatliche Leistungen müssen nicht gekürzt werden - sondern der Staat könnte die gleichen Leistungen für weniger Geld erbringen."Schweden als Positiv-Beispiel

Nach IW-Berechnung ließen sich bei Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, öffentlicher Ordnung und Armutsabsicherung jährlich über 80 Milliarden Euro ohne Leistungseinbußen sparen. So gebe etwa Schweden für sein Bildungssystem rund 20 Milliarden Euro weniger aus als Deutschland und erziele die gleichen Schulergebnisse. Allein im Gesundheitssystem schlummern laut IW pro Jahr 21 Milliarden Euro "Effizienzpotenziale", ohne dass Leistungen eingeschränkt werden müssten.

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