Warum das Werbeverbot für Tabak so umstritten ist

Berlin · Die Drogenbeauftragte weist Erfolge im Kampf gegen das Rauchen vor. Doch sie will mehr. Kommunen und Werbewirtschaft passt das nicht.

Berlin (dpa) Marlene Mortler läuft die Zeit davon. Seit langem kämpft die Drogenbeauftragte der Bundesregierung um ein Außenwerbeverbot für Tabakwaren. In den nächsten Wochen müsste der im vergangenen Frühjahr vom Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf im Bundestag aufgerufen werden, wenn es in dieser Legislaturperiode noch klappen soll. Doch der Widerstand in der eigenen Unionsfraktion und in Teilen der SPD ist ungebrochen. Wie argumentieren Gegner eines Werbeverbotes? Die Diskussion in der Unions-Fraktion läuft noch. Doch Fraktionschef Volker Kauder (CDU) verweist recht energisch auf Kritiker in den eigenen Reihen, denen es gegen den Strich gehe, dass der Regierungsentwurf ein fast vollständiges Werbeverbot für ein immerhin noch legales Produkt vorsehe. Wer diesen Weg gehe, werde künftig auch bei anderen Produkten wie Alkohol oder Zucker über Werbeverbote nachdenken müssen. Im übrigen verlange das Tabakrahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation keineswegs ein Verbot der Außen- und Kinowerbung. Und außerdem liege heute die Raucherquote bei Jugendlichen auf dem niedrigsten Stand seit 1970. Was halten die Befürworter dagegen? Die Drogenbeauftragte geht von jährlich mehr als 120 000 Tabaktoten aus. Darüber hinaus sterben an den Folgen des Passivrauchens jedes Jahr mehr als 3300 Nichtraucher. Rauchen verkürzt das Leben um durchschnittlich zehn Jahre. Die Belastungen für die deutsche Volkswirtschaft durch das Rauchen belaufen sich auf fast 80 Milliarden Euro im Jahr. Im übrigen dürften verschreibungspflichtige Arzneimittel ebenfalls nicht beworben werden, und auch freie Berufe wie Ärzte oder Rechtsanwälte unterlägen einem Werbeverbot. Wirkt Tabakwerbung überhaupt noch? Ja, meinen Mortler, der federführende Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU) und auch Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in einem gemeinsamen Schreiben an die CDU/CSU-Fraktion von Anfang November 2016. Sonst würde die Tabakwirtschaft nicht mehr als 200 Millionen Euro in die Werbung stecken. Speziell mit Blick auf Kinder sagt Mortler, in Schulen werde mit Millionen Prävention gegen das Rauchen gemacht, und auf dem Nachhauseweg strahle den Schülern womöglich der Marlboro-Mann entgegen nach dem Motto: Freiheit und Abenteuer mit einem Glimmstengel im Mund. In der Tat ließ sich bei Kindern und Jugendlichen zwischen zehn und 15 Jahren nachweisen, dass sich das Risiko des Rauchens deutlich erhöht, wenn sie entsprechend beworben werden. Und "wie schwer man wieder davon loskommt, dürfte jeder, der, so wie ich, einmal geraucht hat, sehr genau wissen", sagt Mortler. Wer stemmt sich noch gegen ein Werbeverbot? Kommunen und Werbewirtschaft. Der Fachverband Außenwerbung geht davon aus, dass durch eine Ausweitung des Werbeverbots insbesondere die mittelständischen Unternehmen der Branche betroffen wären. Geworben wird unter anderem auch bei kommunalen Verkehrsbetrieben, in Wartehäuschen oder öffentlichen Toiletten. Die Verluste der Branche würden also auch auf die Kommunen durchschlagen. Nach Angaben der Tabakwirtschaft wurden 2015 insgesamt gut 91 Millionen Euro für Außenwerbung ausgegeben. Was macht die Tabak-Industrie während des Gezänks? Sie weitet ihre Werbung wieder aus. Während die gesamten Werbeausgaben 2012 bis 2014 von 220 Millionen Euro auf 196 Millionen Euro zurückgingen, legten sie nach dpa-Informationen 2015 wieder auf fast 232 Millionen Euro zu, so hoch wie in den vergangenen zehn Jahren nicht. Zudem orientiert sie sich neu und steigt zusehends in den elektronischen Zigarettenmarkt ein - die jugendliche Klientel fest im Blick. Und nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen von Mitte Dezember beginnen Tabakmultis, sich vorsichtig auf dem zunehmend liberalisierten Cannabis-Markt umzutun. Verursachen auch E-Zigaretten Krebs? Man geht grundsätzlich davon aus, dass E-Zigaretten nicht ganz so gefährlich sind wie richtige Zigaretten. Allerdings ist die Forschung hier noch nicht so weit, dass ein belastbares Urteil möglich wäre. Bei E-Zigaretten verbrennt kein Tabak, stattdessen wird eine Art nikotinhaltiger Dampf eingeatmet. Hier sehen Experten jedoch gesundheitliche Gefahren. Was will das Gesetz eigentlich? Deutschland ist eines der letzten EU-Länder, in denen Außenwerbung fürs Rauchen uneingeschränkt erlaubt ist. Die Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes sieht unter anderem ein Verbot der Außenwerbung von 1. Juli 2020 an vor - mit Ausnahme der Gebäudeaußenflächen des Fachhandels. Kinowerbung wird nur noch bei Filmen erlaubt, die ab 18 Jahren frei sind. Und Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen und Wasserpfeifentabak dürfen nicht mehr kostenlos abgegeben werden - etwa beim Sponsoring von Partei-Veranstaltungen. Ruppert MayrFragen & Antworten Rauchen und Gesundheit

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