"Warum liegen die Schwäne da rum?"

BERLIN. Der Bundestag wollte eigentlich um Vertrauen beim Kampf gegen die Vogelgrippe werben – doch es kam ganz anders.

Von wegen uneingeschränkte Beruhigung der Bevölkerung. Zumindest Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) war gestern noch bemüht, eine bewusst sachliche und aufklärende Rede im Bundestag zu halten. Doch danach begannen prompt die üblichen parlamentarischen Rituale. Es ging um Fehler und Versäumnisse bei der Bekämpfung der Vogelgrippe, um filmende Kamerateams vor toten Schwänen, gefährdete Kinder, langsame Schnelltests und überforderte Behörden in Mecklenburg-Vorpommern. Das alles gerade mal einen Tag nach der Entdeckung der Seuche in Deutschland. Seehofer sah man auf der Regierungsbank an, dass ihm der Verlauf der Sitzung ganz und gar nicht behagte. Ähnlich blickte zwischendurch auch Kanzlerin Angela Merkel drein. Die Regierungschefin und ihr Vize Franz Müntefering (SPD) waren ins Plenum geeilt - schließlich geht die Angst in Deutschland um, dass sich die Vogelgrippe eventuell zum großen, nationalen Problem entwickelt. "Angesichts des dynamischen Ausbreitens müssen wir mit weiteren Fällen rechnen", umschrieb Seehofer die Lage. Dass die Seuche in der Republik angekommen ist, steht inzwischen außer Zweifel: Der auch für Menschen gefährliche Erreger H5N1 wurde auf Rügen bei zwei der verendeten Schwäne nachgewiesen, wie der Minister im Bundestag definitiv mitteilte. "Wir haben es hier mit einer gefährlichen Tierseuche zu tun, die auch potenzielle Gefahren für die Menschen birgt. Es gibt nur eine Antwort: rigoros und konsequent vorzugehen und die Sicherheit für Menschen an oberste Priorität zu stellen", versprach er. Der Blick nach Asien, wo schon rund 100 Menschen an der Vogelgrippe gestorben sind, zeigt, dass die Übertragung des Erregers zumindest vom Tier auf den Menschen möglich ist, "deshalb kommt es auf den Menschen an". Seehofer forderte ganz konkret Eltern auf, ihre Kinder aufzuklären, totes Geflügel nicht anzufassen. Er mahnte Landwirte, nicht gegen die ab heute geltende Stallpflicht zu verstoßen und betriebsfremde Menschen von den Höfen fernzuhalten.Geflügelmärkte ausnahmslos verboten

Tote Tiere dürften keinesfalls "privat entsorgt" werden, bei erkennbar krankem Geflügel müssten sofort die Behörden verständigt werden. Überdies seien Geflügelmärkte in Deutschland als "potenzielle Drehkreuze für die Verbreitung des Virus" ausnahmslos verboten worden. Nun will der Minister eine intensivere Forschung nach einer "seriösen, belastbaren Impfung" vor-antreiben. Was Seehofer mühsam an Vertrauen versuchte aufzubauen, wurde danach im Parlament im Handstreich wieder eingerissen. Die Grüne Bärbel Höhn kritisierte massiv den Zeitverlust vom Auffinden der beiden toten Schwäne am 8. Februar bis zu den Ergebnissen des Schnelltests erst sechs Tage später. "Ein Schnelltest, der vier oder sechs Tage braucht, der ist schief gegangen", rief Höhn dem Schweriner Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) zu. FDP-Chef Guido Westerwelle fragte provokant: "Ist es zu verantworten, dass diese Schwäne da rumliegen und sie keiner wegräumt?" Wenn schon Kamerateams ganz nah an die toten Tiere heran kämen, sei dies auch für Kinder kein Problem, verwies er auf fehlende Absperrungen. Viele der verendeten Vögel seien eingefroren gewesen, was das Wegräumen erheblich behindert habe, entgegnete Backhaus. "Jetzt ist nicht die Zeit für Polemik, sondern zur Information", fauchte er FDP und Grüne an. 3220 Tiere seien bis zum Auffinden der toten Schwäne getestet worden, "von denen nicht einer positiv war". Sofortige Stallpflicht, Sperr- und Beobachtungszonen und Desinfektionen von Ställen und Vorräumen habe er noch am Dienstagabend verordnet. "Weg von der Polemik, hin zur Aufklärung", forderte der Landesminister die Bundespolitiker auf.

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