Was Hänschen nicht lernt…

Berlin . Früher war die Welt noch ganz einfach: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr", lautete die Losung. Heute hat dieser alte Spruch keine Geltung mehr. Lernen hört nach Schule, Ausbildung oder Studium nicht auf, zumal die Halbwertzeit von Wissen weiter rapide sinkt.

Lebenslanges Lernen heißt das Schlüsselwort, wenn der Einzelne auf dem Arbeitsmarkt mithalten will. Leichter gesagt als getan. Um die Weiterbildung steht es in Deutschland nämlich nicht sonderlich gut. Zu diesem Ergebnis kommt die von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) eingesetzte Kommission zur "Finanzierung Lebenslangen Lernens", die gestern in Berlin nach zweieinhalbjähriger Tätigkeit ihre Befunde und Konzepte vorlegte. "Die Investitionen in lebenslanges Lernen sind im Vergleich zu anderen Ländern rückständig", lautete ein Fazit des Bielefelder Bildungsökonom und Kommissionsvorsitzenden Dieter Timmermann. Tiefer in die Tasche greifen und aktiver werden sollen daher alle - der Staat, die Unternehmen, aber auch jeder Bürger. Im Oktober 2001 hatte Bulmahn das fünfköpfige Gremium nach einem Bundestagsbeschluss ins Leben gerufen, von dem sich Parlament und Ministerin Vorschläge zur Bewältigung einer der wichtigsten Zukunftsaufgabe in der Republik erwarteten: Wie ebnet man möglichst vielen Menschen den Weg in die Wissensgesellschaft - und wie lässt sich das angesichts knapper Kassen finanzieren? Handlungsbedarf besteht dringend, denn die deutsche Wachstums- und Innovationsschwäche, so die Professorengestern, gründe sich auch auf den geringen Stellenwert des lebenslangen Lernens in Deutschland.Kleine Firmen sind Fortbildungsmuffel

Das Weiterbildungssystem schreibe überdies die "Chancenungleichheiten" in der Bildung hierzulande lediglich fort. "Wer in Beschäftigung ist, hat gute Zugänge zur Weiterbildung", sagt Timmermann. Wer hingegen keinen Job hat, und wer gar nicht oder nur gering qualifiziert ist, für den ist die Teilhabe am lebenslangen Lernen kaum möglich. Und noch etwas ermittelten die Wissenschaftler: Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sind regelrechte Fortbildungsmuffel. Für 75 Prozent der Betriebe mit bis zu neun Beschäftigten ist Weiterbildung eher ein Fremdwort, meist aus Mangel an Informationen, zum Teil wegen der wirtschaftlichen Lage. Dazu passt, dass neben den Privaten auch die öffentlichen Hände zunehmend die Kassen dicht machen, wenn es um die Finanzierung von Fortbildung geht. Schon gut die Hälfte der Bevölkerung kommt nicht in den Genuss von Angeboten, und die Weiterbildungsteilnahme geht auch durch den steigende Eigenanteil bei den Kosten weiter zurück. Was tun? Die Experten forderten gestern ein "allgemeines Bildungsförderungsgesetz", unter dessen Dach alle staatlichen Lernfördermaßnahmen für Erwachsene zusammengefasst und die Weiterbildung ab dem 18. Lebensjahr gesichert werden soll. Deutschland müssekünftig mehr Geld in den Ausbau lebenslangen Lernens investieren. Ferner schlägt das Gremium vor, betriebliche Fortbildung stärker in Tarifverträgen zu verankern. Unternehmen müssten außerdem "die Instrumente der Arbeits- und Lernzeitkonten" besser nutzen. Aber auch jeder Einzelne soll nach dem Willen der Kommission mehr tun. Vorgeschlagen wird unter anderem die Einführung von Bildungskrediten und ein staatlich gefördertes Bildungssparen, bei dem jeder Bürger (inklusive Minderjährige) dazu verpflichtet wird, monatlich oder mindestens einmal im Jahr je nach Einkommen Geld für Bildungsmaßnahmen anzulegen - bis zu 408 Euro jährlich soll der Staat fördern. Wer unterhalb des steuerlichen Existenzminimus liegt, soll dabei einen Mindestbetrag von fünf Euro pro Monat einbezahlen.

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