Was kann die Bundeswehr, was nicht?

BERLIN. Was geht? Vor allem aber: Was geht nicht? Während die Politik wochenlang um die historische Entscheidung über die Beteiligung der Bundeswehr an einer UN-Friedensmission im Nahen Osten rang, haben sich Militärs und Experten längst Gedanken darüber gemacht.

Was kann - unabhängig von der konkreten Ausgestaltung eines UN-Mandats - der Politik angeboten und der Truppe noch abverlangt werden? Die Vorschläge dazu liegen in den Schubladen. Die wichtigsten Köpfe der großen Koalition - Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Edmund Stoiber, Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) und SPD-Vorsitzender Kurt Beck - saßen gestern in Bayreuth zusammen. Dort schaut sich Merkel die Festspiele an. Mit Blick auf den Nahen Osten konnte sich die illustre Runde auf eine gemeinsame Erklärung verständigen: Man wolle in der Krisenregion einen Beitrag leisten, und zwar humanitär, beim Wiederaufbau und "zur Sicherung der syrisch-libanesischen Grenze, insbesondere seeseitig". Im Klartext: Die Entsendung deutscher Soldaten wird befürwortet. Damit ist der schwelende Koalitionskrach um einen möglichen deutschen Beitrag zumindest entschärft. Während nämlich CDU und SPD die Entsendung von Truppen befürwortet hatten, hatte die CSU vehement Nein gesagt. Von dieser Position war allerdings der wankelmütige Edmund Stoiber in den letzten Tagen zusehends abgerückt. Die Bundesregierung wird heute in New York bei einer Truppenstellerkonferenz Angebote für mögliche deutsche Beiträge vorlegen - nicht als Festlegung, sondern "als Hilfestellung für die weiteren UN-Planungen", wie sie vorsorglich hervorhebt. Dass dies so betont wird, ist nicht nur der anhaltenden Kritik aus den Reihen der Koalition an dem geplanten Nahost-Einsatz geschuldet. Die Opposition, aber auch erste Politiker von Union und SPD ärgern sich über das bisherige Verfahren. Erst werde der Uno mitgeteilt, "was von deutscher Seite aus geht, dann kriegt das Parlament wieder ,Friss oder Stirb' präsentiert", schimpft ein Verteidigungspolitiker gegenüber unserer Zeitung. Formal sei der Ablauf mit dem Verweis auf den Parlamentsvorbehalt vielleicht korrekt, "politisch ist es aber dumm". So schaffe man sich Gegner eines Einsatzes. Und entscheiden müsse immer noch der Bundestag. Die Zeit drängt jedoch, Auslandseinsätze benötigen einen langen logistischen Vorlauf. Heute will die Kanzlerin in Berlin mit den zuständigen Ministern über das schwierige Thema sprechen, am Abend wird Merkel die Obleute der Bundestagsfraktionen informieren. Nach der New Yorker Konferenz sollen voraussichtlich am Freitag Gespräche mit den Fraktionsspitzen geführt werden. Dabei muss die Kanzlerin das Machbare innerhalb der jeweiligen Fraktionen ausloten - besonders im Lager der großen Koalition.Endgültiger Beschluss kommenden Mittwoch

Am selben Tag gibt es Sondersitzungen des Auswärtigen und des Verteidigungsausschusses, bei denen sich die Kritiker lautstark zu Wort melden wollen. Kommenden Mittwoch soll dann im Kabinett ein endgültiger Beschluss gefasst werden. Die eilige Überzeugungs- und Info-Offensive der Bundesregierung ist auch deshalb heikel, weil nicht wenige Abgeordnete die Bundeswehr bereits an der Grenze ihrer personellen und materiellen Belastbarkeit angelangt sehen. Weltweit sind momentan 7700 Soldaten in elf Krisenregionen im Einsatz. Seit Ende des Kalten Krieges hat Deutschland rund neun Milliarden Euro für Auslandseinsätze ausgegeben - beginnend beim Engagement in Kambodscha 1992. Laut Bundeswehrverband ist inzwischen beim Sanitätsdienst "das Ende der Fahnenstange erreicht". Das wissen auch die Politiker, schließlich hatte der Wehrbeauftragte in seinem letzten Bericht genau diesen Missstand benannt. Auch sind durch die vielen Auslandseinsätze nicht mehr genügend gepanzerte kleine Fahrzeuge vorhanden; es fehlen Transporthubschrauber, wie Verteidigungsexperten aller Fraktionen kritisieren. Kapazitäten sieht der Bundeswehrverband bei den Pionieren für die Reparatur von Straßen und Brücken, bei der Luft- und Fernmeldeaufklärung sowie für den Einsatz zur See. Ganz so, wie es sich die Bundesregierung vorstellt.

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