Wenig Geld für viele Plätze

BERLIN. Mehr Einsatz für die Familie: Was alle Parteien fordern, setzt die Bundesregierung um. Dennoch gibt es Kritik am Beschluss, die Kinderbetreuung auszubauen.

Das Problem ist vielen Eltern leidvoll vertraut: Eigentlich würden beide Partner gern im Berufsleben stehen, aber wegen fehlender Betreuungsangebote für den Nachwuchs muss Frau oder Mann zurückstecken. Die Bundesregierung hat dieses Defizit mittlerweile zu einem Schwerpunkt ihrer Politik gemacht. Zunächst stellte sie den Ländern rund vier Milliarden Euro für mehr Ganztagsschulen zur Verfügung. Gestern nun verabschiedete das Kabinett eine Gesetzesvorlage, die den verstärkten Ausbau von Krippenplätzen und eine Aufwertung so genannter Tagesmütter vorsieht. "Eine gute Betreuung erleichtert die Entscheidung für Kinder", meinte Familienministerin Renate Schmidt (SPD). Ziel sei es, Familien zu stärken und die frühkindliche Förderung zu verbessern. Nach dem Entwurf des "Tagesbetreuungsausbaugesetzes" soll für Kinder unter drei Jahren ein "ausreichendes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege" zur Verfügung stehen. Formal gesehen müssen die Kommunen schon heute für ein "bedarfsgerechtes Angebot" sorgen. Doch viele Städte und Gemeinden neigen dazu, die gesetzliche Vorgabe mit dem Hinweis auf einen angeblich "geringen Bedarf" zu umgehen. Durch den aktuellen Gesetzentwurf sollen die Angebote auf erwerbstätige Eltern und Alleinerziehende konzentriert werden. Vorrang haben auch Kinder aus Problem-Familien. Zugleich strebt die Ministerin den Einsatz von Tagesmüttern als "qualitativ gleichrangige Alternative" zur Krippenbetreuung an. Geplant ist eine Verbesserung ihrer pädagogischen Fähigkeiten. Außerdem können die Interessenten mit einer stärkeren sozialen Absicherung rechnen. Freilich ist der Fortschritt eine Schnecke. So soll sich die Zahl der Betreuungsplätze in den alten Ländern von heute rund 60 000 erst in den kommenden sechs Jahren auf 230 000 erhöhen. Die Angebote im Westen seien "nur in Spuren-Elementen" erkennbar, bemerkte Schmidt. Tatsächlich gibt es lediglich für 2,7 Prozent der unter Dreijährigen eine öffentliche Betreuung. In Osten liegt der Anteil dagegen bei 37 Prozent. Nicht zuletzt wegen des enormen Nachholbedarfs in den alten Ländern hat Renate Schmidt auf einen Rechtsanspruch für die Betreuung verzichtet. Zum Ärger der Grünen ist für die Ministerin ein einklagbares Recht erst ab 2010 denkbar. Und das auch nur für die bereits genannten Personengruppen. Schmidts Vorsicht resultiert obendrein aus der Gefahr, dass das zustimmungspflichtige Gesetz an der Unionsmehrheit im Bundesrat scheitert. Zwar hat auch die CDU ihr Herz für die Jüngsten entdeckt. Das Ziel des Gesetzes sei "völlig unbestritten", meinte gestern Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel. Allerdings müsse der Bund für die erforderlichen Finanzmittel sorgen. Darüber geht der Streit schon seit Wochen. Renate Schmidt rechnet vor, dass die Kommunen im kommenden Jahr 400 Millionen Euro benötigen, um den Anforderungen des Gesetzes nachzukommen. Erst 2010 würden es 1,5 Milliarden sein. Den "Löwenanteil" davon zahle der Bund, sagt die SPD-Politikerin und führt dazu die kommunalen Entlastungen aus dem Hartz-IV-Gesetz ins Feld. Sie betragen 2,5 Milliarden Euro. 1,5 Milliarden davon sollen Städte und Gemeinden in den Betreuungsausbau stecken. Doch genauso wie bei der Union argumentiert man auch in den Rathäusern, dass die Maßnahmen weitaus teurer kämen. Außerdem verbiete es sich, dringend benötigte Haushaltsentlastungen gleich wieder für neue Aufgaben zu verplanen.

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