Wenig gewonnen, viel kassiert

Berlin. Wenn alles nach Plan läuft, wird heute im Mannesmann-Prozess das Urteil gesprochen. Es passt in eine Debatte, die seit Tagen die Öffentlichkeit beschäftigt: eine Debatte zur Frage, wie angemessen oder auch schamlos die Gehälter und Abfindungen deutscher Spitzenmanager sind.

Sogar die Bundesregierung, die eigentlich gar nichts mit dem Thema zu tun hat, macht sich neuerdings Gedanken, wie in Zeiten amtlich verordneter Grausamkeiten und betrieblicher Kürzungsaktionen die Raffgier in deutschen Führungsetagen gestoppt werden könnte. Das Thema ist eben allgegenwärtig, seit Deutschlands Konzern-Krösus DaimlerChrysler seinen Beschäftigten in Sindelfingen die Pistole auf die Brust gesetzt hat und - gewürzt mit der Drohung der Produktionsverlagerung für die Mercedes C-Klasse - Lohnkürzungen von 500 Millionen Euro verlangt. Dieses Ansinnen hat angesichts der hohen Produktivität des Werkes und der Milliardengewinne des Unternehmens helle Empörung ausgelöst, die sich in Wellenform über ganz Deutschland ausbreitet. Auch das Angebot der Führungsetage zum eigenen Gehaltsverzicht von etwa zehn Prozent hat die Wogen nicht glätten können: Die Diskussion, wie "unmoralisch" (Ex-Daimler-Chef Edzard Reuter) die Gehälter des Top-Personals mittlerweile sind, ist in voller Schärfe entbrannt. Reuter, früher selbst Großverdiener, forderte am Mittwoch den Gesetzgeber auf, Höchstgrenzen für Managergehälter festzulegen, um der "ethisch nicht mehr begründbaren" Abzocke ein Ende zu bereiten. Auch der ehemalige SPD-Vorsitzende Hans Jochen Vogel verlangte die Begrenzung der Bezüge auf das "100-fache eines Facharbeiterlohnes". Früher habe ein Vorstands-Chef das 30-fache verdient, heute werde mitunter das 370-fache bezahlt. Das sei maßlos und bedürfe dringend der Korrektur. Tatsächlich kassieren viele der Chefs, die von ihren Mitarbeitern gern Verzicht einfordern, oftmals Millionengehälter, die nicht selten auch noch mit Provisionen und Aktienoptionen ergänzt und mit üppigen Pensionsregelungen abgerundet werden. Der neue "Stern" hat dem Thema sieben Seiten gewidmet ("Bedingt führungsfähig"). Tenor: Deutschlands Topmanager verdienen viel, schaffen wenig Gewinn, und sind aufgrund eines verfilzten und undemokratischen Systems der Cliquen-Wirtschaft fürstlich abgesichert.Ganz praktisch: Die Bosse kontrollieren sich selbst

Tatsächlich kontrollieren sich die 30 Dax-Unternehmen praktisch gegenseitig - zum Nutzen aller Beteiligten: Selbst in den Krisenjahren seit 2000 sind die Bezüge der Vorstände zweistellig gewachsen. Der Aufsichtsrat von DaimlerChrysler etwa (Vorsitz Ex-Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper) hat dem Vorstand seit dem Jahr 2000 Gehaltserhöhungen von 130 Prozent abgesegnet. Da in diesem Gremium auch Gewerkschafter sitzen, hat FDP-Vize Rainer Brüderle durchaus Recht, wenn er den Gewerkschaftsbossen "Heuchelei" vorwirft, weil sie bei den Entscheidungen "regelmäßig die Hand heben". Dass die Wirtschaft von irgendwelchen Beschränkungen nichts wissen will, ist wenig überraschend. Michael Rogowski, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, nannte den Vorschlag zur Begrenzung der Managergehälter eine "Schnapsidee". Der Markt müsse die Bezüge regeln. Auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hält nichts von gesetzlichen Maßnahmen. Gleichwohl denkt seine Justiz-Kollegin Brigitte Zypries darüber nach, wie das Problem in den Griff zu kriegen sei: Man wolle sich die Entwicklung noch eine Weile anschauen, sagte eine Sprecherin gestern. Vielleicht sei es notwendig, Gehaltsentwicklungen zukünftig an "bestimmte Indikatoren" zu knüpfen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort