Wenn Arbeit Angst macht

TRIER. (ph) Psychische Erkrankungen nehmen bundesweit zu - auch in der Region Trier. Ursache dieser Entwicklung sind nach Einschätzung von Experten neben einer besseren Diagnostik vor allem der gestiegene Leistungsdruck im Berufsleben und die unsicherer gewordene Arbeitswelt.

Marion M. ist 47 Jahre alt, in ihrem Beruf erfolgreich, bei einem ehemaligen Staatsunternehmen beschäftigt. Doch eines Tages wird ihre Zweigstelle geschlossen, die Hälfte der Jobs wegrationalisiert. Marion M. bekommt eine neue Stelle angeboten, weit weg von ihrem Wohnort, dem sozialen Umfeld. Auf einmal ist ihre sicher geglaubte Existenz infrage gestellt, Zukunftsängste kommen auf, schließlich wird sie depressiv. Auch wenn die Figur der Marion M. frei erfunden ist, ihr Fall ist in Deutschland mittlerweile tausendfache Realität. Nach dem "Fehlzeitenreport 2003" des AOK-Bundesverbandes stieg die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Erkrankungen in den letzten Jahren stark an. "Bei den psychischen Erkrankungen dominieren Depressionen und neurotische Erkrankungen", sagt Christian Vetter vom Wissenschaftlichen Institut der AOK und Mitherausgeber des Fehlzeitenreports. Dazu gehörten Angst-Erkrankungen, Zwangsstörungen, Reaktionen auf schwere Belastungen und psychosomatische Erkrankungen. In der Region Trier sieht die Entwicklung nicht anders aus: Auch hier nahm die Zahl der Krankmeldungen aufgrund psychischer Leiden zu. In Trier bietet der Integrationsfachdienst für Schwerbehinderte und psychisch Kranke (IFD) des Caritas-Sozialverbandes den Patienten eine Anlaufstation. "Wir haben immer mehr Hilfesuchende mit Angstzuständen, depressiven Symptomen oder psychosomatischen Störungen", sagt Monika Berger, Leiterin des IFD. Viele dieser Krankheiten haben nach Bergers Ansicht ihre Ursache darin, "dass der Leistungsdruck wächst und der Arbeitsplatz nicht mehr sicher ist". Häufig kämen aber auch Menschen zum IFD, die sich über Mobbing am Arbeitsplatz beklagten. Obwohl heute mehr psychisch Kranke einen Arzt aufsuchten als früher, "ist die Scheu noch immer groß", sagt Dr. Michael Brenner, Neurologe und Psychiater in Trier. Vor allem Männer hätten noch immer Schwierigkeiten, sich mit ihren Problemen an fremde Hilfe zu wenden. Dabei hätten sich die Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten psychischer Krankheiten in den vergangenen Jahren stark verbessert, so Brenner. Mittlerweile gebe es eine "ganze Versorgungs-Kette" von der stationären Versorgung über Tageskliniken bis hin zu Behinderten-Werkstätten und Diensten wie dem IFD. Andererseits habe sich die Situation psychisch Kranker auf dem Arbeitsmarkt verschärft. Auch in der Pharmazie habe sich einiges getan, sagt Brenner. Neue Anti-Depressiva seien besser verträglich und wirksamer. Die sollten allerdings rechtzeitig zum Einsatz kommen: "Je früher eine Depression behandelt wird, desto besser", betont der Psychiater.

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