Wenn Elefanten Hochzeit halten

TRIER. (DiL) Zurzeit wird häufig über Jamaika diskutiert, aber viele Experten tippen immer noch auf eine Große Koalition am Ende des Berliner Polit-Pokers. Eine Konstruktion, die es in Deutschland häufiger gab als vermutet. Mal mit der CDU, mal mit der SPD an der Spitze. Nur eines blieb immer gleich: Die stärkere Fraktion stellte den Regierungschef.

Im Bewusstsein der Bevölkerung ist nur eine einzige Große Koalition so richtig präsent: Jene auf Bundesebene, die ab 1966 unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) und Außenminister Willy Brandt (SPD) das Land innerhalb von drei Jahren modernisierte und die Republik politisch und gesellschaftlich aus der Nachkriegsphase holte. Die SPD hatte seinerzeit den amtierenden Kanzler Ludwig Erhard unter kräftiger Mithilfe unzufriedener Christdemokraten sturmreif geschossen, um als Juniorpartner erstmals in eine Bundesregierung einsteigen zu können. Die Hoffnung, sich dem Bürger als regierungsfähig zu präsentieren, ging auf: 1969 reichte es für die Sozialdemokraten, mit der FDP eine Koalition zu bilden.Was die meisten Bürger nicht wissen: Auf Länder-Ebene gab es seit 1947 über 20 Legislaturperioden mit großen Koalitionen. Nur Hamburg unter den alten Bundesländern und Sachsen-Anhalt unter den neuen hatten nie eine CDU/SPD-Regierung. In Nordrhein-Westfalen regierten die beiden Riesen in den Gründerjahren gemeinsam, nahmen allerdings auch das Zentrum mit ins Boot.

In Rheinland-Pfalz begann Peter Altmeier (CDU) 1949 seine Karriere mit einer großen Koalition. In Hessen regierte Christian Stock (SPD) in den Fünfzigern gemeinsam mit der CDU. In den Sechziger Jahren waren es SPD-Ministerpräsidenten, die in Niedersachsen große Koalitionen führten.

Mit der gesellschaftlichen Polarisierung in den Siebzigern verschwand das Modell große Koalition zeitweilig von der Bildfläche in der alten Bundesrepublik. Erst mit der Wiedervereinigung häuften sich wieder die Elefantenhochzeiten, vorrangig im Osten. Berlin machte mit Diepgen 1991 den Vorreiter, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern sahen 1994 bis '98 CDU-geführte große Koalitionen, in Brandenburg und Sachsen amtieren sie bis heute - rot-schwarz in Potsdam, schwarz-rot in Dresden. Selbst im Westen rauften sich CDU und SPD stellenweise zusammen: In Bremen, mit einem Sozi an der Spitze, eher freiwillig, in Schleswig-Holstein, mit einem schwarzen Chef, unter heftigen Geburtswehen.

Eines war fast allen großen Koalitionen gemeinsam: Sie erwiesen sich als Zweckbündnisse auf Zeit. Selten hielten sie - wie in Berlin oder Bremen - über mehrere Legislaturperioden, oft war bereits vorzeitig Schluss.

Eine elementare Spielregel galt freilich in allen Fällen: Der Regierungschef wurde stets von der stärkeren der beiden großen Fraktionen im Parlament gestellt. Ein Automatismus, über den es in fast sechs Jahrzehnten parlamentarischer Arbeit in Deutschland nie Diskussionen gab. Bis heute.

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