Wenn Gefühle in Dosen passen

Bitburg/Mainz · Von der Eifel bis nach Mainz: Vor einem Jahr gewann die SPD die Landtagswahl. Der Alltag hat Sieger und Besiegte längst eingeholt.

 Nico Steinbach gewann überraschend das Direktmandat für die SPD im Eifelkreis Bitburg-Prüm. TV-Foto: Klaus Kimmling

Nico Steinbach gewann überraschend das Direktmandat für die SPD im Eifelkreis Bitburg-Prüm. TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: Klaus Kimmling

Bitburg/Mainz Einen Satz hört Nico Steinbach am 13. März 2016 besonders häufig: "Drück mal auf Aktualisieren." Mit der Familie, Freunden und Helfern verfolgt der 33-Jährige an jenem Tag im Wohnzimmer in Oberweiler, wie die Ergebnisse aus den Stimmbezirken des Eifelkreises Bitburg-Prüm eintrudeln. Das Tablet ist an einen Beamer angeschlossen, vom Internet aus flackern Zahlen an die Wand. Einige Wahlkreise färben sich schwarz - doch erstaunlich viele rot. Gegen Abend ist die Sensation perfekt. Steinbach nimmt als erster SPD-Mann die schwarze Hochburg ein, erlangt mehr Prozente als CDU-Kandidat Michael Billen und zieht direkt in den rheinland-pfälzischen Landtag ein. "Selbst die eigenen Leute haben das kaum für möglich gehalten. Das war wie ein Lottogewinn", erzählt Steinbach, der sich noch an einen Anruf von SPD-Landeschef Roger Lewentz erinnert. Er habe gesagt: "Wir rocken hier gerade die Malu, und du bist als Billen-Bezwinger der zweite Star des Abends."
Genau ein Jahr ist es her, dassSteinbach in der Eifel der kleine SPD-Triumph gelingt - und der Partei auf der Landesebene der große. Mehr als zehn Prozent Umfrage-Rückstand holten die Genossen in einem turbulenten Wahlkampf auf, der eine Absage der SWR-Elefantenrunde durch Ministerpräsidentin Malu Dreyer bietet und in der Flüchtlingskrise den A 2-Plan von Julia Klöckner. Mit 36,2 Prozent lag die SPD am Wahlabend erstaunlich weit vor der Union (31,8 Prozent) - und schmiedete danach mit der FDP und den Grünen das erste, deutschlandweite Ampelbündnis.
Inzwischen hat der Alltag Sieger und Besiegte eingeholt. Die Landesregierung taumelte früh in eine Krise, weil der Verkauf des Flughafens Hahn scheiterte. Dazu kamen Konflikte wie beim geplanten Bau der Mittelrheinbrücke. Und das Urteil zum Pensionsfonds, in dem der Verfassungsgerichtshof rechtliche Verstöße sieht. "Die Ampel blinkt im Baustellen-Modus", kritisiert Patrick Schnieder, Landesgeneralsekretär der CDU. Kein Landesprojekt laufe reibungslos. Der Trierer Parteienforscher Uwe Jun sieht das nicht so kritisch. "Die Koalition hat Tritt gefasst, gibt ein geschlossenes Bild nach außen ab und lässt keine Kontroversen erkennen." Nico Steinbach freut sich hingegen, wenn im März der Doppelhaushalt für 2017 und 2018 verabschiedet wird. "Dann haben wir Zeit, uns der Gestaltung zu widmen", sagt er.
Und die CDU? Sie verlor erst die Wahl, dann den Misstrauensantrag gegen Malu Dreyer im Zuge des Hahn-Verkaufs, dann schlitterte die Partei in eine Affäre mit offenbar verdeckten Spenden des Ex-Geheimagenten Werner Mauss. Dazu spekulieren Beobachter in Mainz immer wieder darüber, ob Julia Klöckner 2021 wirklich noch ein drittes Mal als Spitzenkandidatin antreten will oder vorher lieber zu neuen Ufern aufbricht, im Bund oder gar in Europa. Trotzdem: Jun lobt die CDU dafür, mit welcher Schärfe sie ihre Rolle in der Opposition ausfülle. Schnieder spricht von Lehren, die aus der Wahl gezogen wurden. "Wir sind in uns gegangen, haben in die Partei hinein gehört und intensive Gespräche geführt." Es gebe eine Diskussion über Grundsatzfragen, die alle Ebenen der Partei einbinde.
Und was bleibt bei Steinbach, ein Jahr nach der Wahl? Immer noch schöne Erinnerungen: "Von dem schönen Gefühl habe ich einiges in Konservendosen gepackt. Und in schlechten Zeiten kann ich immer eine davon aufmachen."WO DIE PARTEIEN NACH DER WAHL STEHEN


Extra

Das sagt Parteienforscher Uwe Jun (Uni Trier): "Die SPD hat den gescheiterten Verkauf des Flughafens Hahn offenbar korrigiert. Malu Dreyer hält die Koalition geräuschlos zusammen. Die FDP im Land setzt auf Regierungsstabilität und Korrekturen wie in der Energiepolitik. Den Grünen ist es noch nicht gelungen, Eveline Lemke und Daniel Köbler durch öffentlichkeitswirksame Führungspersönlichkeiten zu ersetzen. Die CDU hat die Wahlniederlage aufgearbeitet. Mit dem Urteil zum Pensionsfonds hat sie mindestens einen symbolischen Erfolg erzielt. Die AfD hat den Landtag stärker polarisiert."

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