Wenn Helfer selber Hilfe brauchen

Sie dürfen nicht wegsehen, den Blick abwenden angesichts des menschlichen Leids, dem sie in ihrem Einsatzalltag regelmäßig begegnen. Doch der Anblick von Verletzten oder gar Toten lässt auch die haupt- und ehrenamtlichen Einsatzkräfte der Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste nicht kalt.

Bitburg/Trier. Ein Tag im Juni, gegen Abend. Überall auf der B 51 liegen Autowrack-Teile verstreut. Einige Fahrer sind in ihren Fahrzeugen eingeklemmt. Für einen Mann kommt jede Hilfe zu spät. Ein anderer Tag, ein anderer Ort an der B 51, aber ein ähnliches Bild: Nur noch tot können eine Frau und ihr Kind geborgen werden - aus dem Trümmerhaufen, der einmal ein Auto gewesen ist. Heiko Laudor vom DRK Bitburg-Prüm war nicht am Unfallort. Aber wäre er da gewesen, er hätte später nicht mehr sagen können, ob die Farbe des demolierten Wagens Rot, Schwarz oder Silber gewesen wäre. Ob es sich um einen Kleinwagen oder eine Limousine gehandelt hätte. Seine Aufmerksamkeit gilt allein den Unfallopfern. "Ich versuche in dem Augenblick nur, den Verletzten zu helfen", sagt er. Arbeiten mit Tunnelblick. Bilder im Kopf lähmen den Arbeitsalltag

Die Bilder vom Einsatzort - Bilder, die einen des Nachts nicht schlafen oder einen nie wieder ohne schlechtes Gefühl an jenem Unfallort vorbeifahren lassen können - lässt Laudor nicht an sich ran, er vergisst sie ganz schnell. Für den Lehr-Rettungsassistenten, der angehende Helfer beim DRK ausbildet und auch in psychologischen Fragen berät, ist das gut so. Doch nicht immer gelingt es den Einsatzkräften, das Erlebte derart schnell zu verarbeiten. Die Bilder im Kopf oder die Gespräche mit Angehörigen, die um ihren Verstorbenen trauern, bleiben und lähmen im Arbeitsalltag, führen im schlimmsten Fall sogar zur Berufsunfähigkeit. Längst ist bei Polizei, DRK und Feuerwehr die Notwendigkeit erkannt worden, dass eine helfende Hand für Helfer ebenso benötigt wird wie der Einsatz der Kollegen an der Unglücksstelle. Das persönliche Gespräch steht im Vordergrund - nach dem Einsatz zusammensitzen, über das Erlebte sprechen, ohne die Befürchtung zu haben, sich mit seinen Gedanken lächerlich zu machen. Vielen hilft das. Den meisten genügt diese Möglichkeit, um am nächsten Tag, beim nächsten Einsatz weitermachen zu können. Falls nicht, gibt es weitergehende Unterstützung - etwa dann, wenn der Anblick eines toten Kindes Angst um die eigene Familie hervorruft. Michael Leuschen von der freiwilligen Feuerwehr in Bitburg hat sich für solche Fälle extra weiterbilden lassen, ist Ansprechpartner für seine Kollegen. Er kennt das Gefühl der Ohnmacht, hat es selbst schon erlebt. "Bei mir schlagen solche Stressmomente auf den Rücken", sagt Leuschen. Just nach der Beerdigung dreier Jugendlicher, die bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen, musste er mit einem Bandscheiben-Vorfall ins Krankenhaus. Körperliche Gebrechen als Spiegel der Seele bei den einen, bei anderen das Burn-Out-Syndrom. Auch wenn alle Einsatzkräfte - egal ob Polizei, Feuerwehr oder DRK - in ihrer Ausbildung psychologisch geschult werden, ist niemand davor gefeit, einmal selbst Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Beim DRK wird im Bedarfsfall ein externer Psychologe zu Rate gezogen, bei der Polizei gibt es das Kriseninterventions-Team, das für solche Fälle bereit steht (siehe Interview). Nur verlässliche Zahlen darüber, wie oft ihre Hilfe angefordert wird, gibt es nicht. Doch eines ist klar: Die helfende Hand wird bei Polizei, DRK und Feuerwehr oft gebraucht, damit aus Rettern in der Not keine Retter in Not werden.

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