Wenn guter Rat (zu) teuer ist

BERLIN. Bahnchef Hartmut Mehdorn, der immer unter Dampf steht, ließ am Dienstag Dampf ab. In einem persönlichen Schreiben an die 245 000 Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG (DB), das am Donnerstag bekannt wurde, versicherte der Manager, die Korruptionsvorwürfe gegen ihn entbehrten jeder Grundlage.

Das sieht die Staatsanwaltschaft Neuruppin (Brandenburg) offenbar anders: Sie ermittelt dem Vernehmen nach zwar nicht mehr gegen Mehdorn, aber gegen den Vorstandskollegen Klaus Daubertshäuser, der für das Ressort Marketing verantwortlich zeichnet.Politisch unhygienisch

Der Fall ist bekannt und sorgt seit Tagen für Schlagzeilen: Der ehemalige Verkehrsminister von Brandenburg, Hartmut Meyer (SPD), ist von der Bahn als Berater und "Beauftragter des Vorstands" für den nordostdeutschen Raum engagiert worden. An sich nichts Verwerfliches - wäre da nicht ein 1,9 Milliarden Euro schwerer Vertrag über Zugleistungen der DB im Regionalverkehr, den Meyer als Minister im Dezember 2002 abgeschlossen hatte. Pikantes Detail am Rande: Der Vertrag war nicht, wie es aus Gründen der politischen Hygiene ratsam gewesen wäre, ausgeschrieben, sondern wurde "freihändig" vergeben. Noch pikanter: Minister Meyer wechselte das Gleis. Im September 2003 trat er aus freien Stücken von seinem Amt zurück und verdingte sich im Februar 2004 bei der Bahn AG. Angeheuert von Daubertshäuser, der die Lobby-Arbeit koordiniert und offenbar ein Herz für seine Genossen hat: Daubertshäuser, früher selbst Verkehrspolitiker der SPD im Bundestag, hatte zuvor auch die SPD-Politiker Klaus Wedemeyer, Reinhard Klimmt, Ernst Schwanhold und Jürgen Heyer sowie den ehemaligen bayerischen Finanzminister Georg von Waldenfels (CSU) als Berater verpflichtet.Vorgespräche schon als Minister?

Die Staatsanwaltschaft will nun herausfinden, ob bei dem Meyer-Vertrag alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Angeblich wurden nämlich Vorgespräche über ein Engagement Meyers bereits im Juli 2003 geführt, als der Ex-Minister noch in Amt und Würden war. Dieser Behauptung widersprach Meyer am Donnerstag, aber nicht sehr energisch: "Ich kann sagen, dass ich diesen Vertrag mit der Deutschen Bahn AG im Frühjahr 2004 geschlossen habe." Nicht nur für den Grünen-Verkehrspolitiker Albert Schmidt hat der Vorgang gleichwohl ein "Geschmäckle". Vor allem die zeitliche Nähe zwischen Vertrag, Rücktritt und Eintritt sei "Atem beraubend". Kaum verwundern kann in diesem Zusammenhang die Reaktion der Opposition, die ohne Umschweife von einem "Skandal" sprach (der CDU-Verkehrspolitiker Dirk Fischer). Auch sein FDP-Kollege Horst Friedrich kritisierte die Praxis der Bahn, mithilfe ehemaliger Politiker an die Regionalisierungsmittel der Bundesländer (sie verteilen für Bahn-Dienste im Nahverkehr jährlich rund 6,8 Milliarden Euro) heran zu kommen und so "den Wettbewerb auszuschalten". Bahnchef Mehdorn, der beim Thema Korruption mit sich "völlig im Reinen" ist, wies sämtliche Unterstellungen zurück. Es sei mitnichten anrüchig, wenn sich die Bahn des Sachverstands ehemaliger Politiker bediene. Die Bahn tue dies "mit offenem Visier" und nicht mit "Heerscharen namenloser, unsichtbarer Lobbyisten, wie das in manch anderer Branche üblich ist".Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ex-Minister Meyer

Auf jeden Fall ist Mehdorn nicht mehr Gegenstand amtlicher Ermittlungen. Es zeichne sich ab, teilte die Staatsanwaltschaft Neuruppin am Donnerstag mit, dass eine unmittelbare Verantwortlichkeit (für die Umstände des Vertrags mit Meyer/Brandenburg) "nicht festzustellen sein wird". Meyer selbst, der gegenwärtig Urlaub macht, muss sich indes weitere Ermittlungen gefallen lassen. Immerhin hat der 60-jährige Landtagsabgeordnete ausMärkisch-Oderland eine Konsequenz schon gezogen: Nach sanftem Druck seiner brandenburgischen Genossen verzichtete er auf eine neuerliche Kandidatur für den Landtag bei der Wahl am19. September 2004. Nun kann er sich ganz auf seine Berater-Firma "short cut" (Abkürzung) konzentrieren, die er gegründet hat, um zu sehen, "ob es stimmt, dass guter Rat teuer ist".

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