"Wer betrügen will, der betrügt"

TRIER. Der jüngste Gammelfleischskandal hat die Verbraucher verunsichert. Kann der Konsument noch guten Gewissens in sein Steak beißen? Oder muss er befürchten, dass das Haltbarkeitsdatum womöglich schon drei Jahre abgelaufen ist? Über diese und andere Fragen sprach der TV mit Karl-Josef Leibig, dem Vorsitzenden der rheinland-pfälzischen Lebensmittelkontrolleure.

Herr Leibig, schmeckt Ihnen nach dem Gammelfleischskandal eigentlich Ihr Mittagsbraten noch?Leibig: Ja. Ich habe damit keine Probleme. Warum haben nicht Ihre bayerischen Kollegen den Skandal aufgedeckt? Sind die Kontrollen zu lasch?Leibig: Nein. Das Problem ist immer: Wer betrügen will, der betrügt. Wenn - wie im aktuellen Fall - eine Art Fleischmafia zu Gang ist, ist es schwer, dem beizukommen. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer sagt, die Zuständigkeit der Länder für das Lebensmittelrecht wirke sich verbraucherfeindlich aus. Ist es sinnvoll, dass der Bund in diesem Punkt das Heft in die Hand nimmt?Leibig: Ich glaube, dass das nach der jetzigen Gesetzgebung gar nicht möglich ist. Das Problem ist eher, dass in einigen Ländern Kreise und kreisfreie Städte zuständig sind. Damit müssen Durchführungsbestimmungen mit 16 Ländern abgestimmt werden. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie dann unmittelbar auch in den Kreisen und kreisfreien Städte umgesetzt werden. Ist das Lebensmittelkontrollsystem in Rheinland-Pfalz sinnvoll?Leibig: Man kann sich sicher Gedanken machen, wie es effizienter gestaltet werden kann. Bei der momentanen Kassenlage in den Kreisen und kreisfreien Städten sind nicht genügend Mittel vorhanden, um einen effektiven Lebensmittelschutz aufzubauen. Es fehlt an Personal und einer sachgerechten Ausstattung. Heißt: Der Lebensmittelschutz in Rheinland-Pfalz ist nicht ausreichend?Leibig: Die Kollegen leisten sehr gute Arbeit. Aber wir haben in einigen Kommunen Defizite, weil nicht genügend Personal da ist. Oder die Arbeitsüberlastung ist so hoch, dass nicht ausreichend kontrolliert werden kann. Das muss doch für Lebensmittelbetrüger verlockend sein?Leibig: Da muss man differenzieren: Wer als Metzger um die Ecke jeden Tag hinter der Ladentheke steht, kann sich Betrug am Kunden nicht leisten. Ganz anders sieht es aber bei gefrorenem Fleisch oder bei verarbeiteten Fleischprodukten aus: Da haben Kriminelle ganz andere Möglichkeiten. Sollten schwarze Schafe öffentlich genannt werden?Leibig: Ja. Aber auch positive Bewertungen sollten den Kunden zugänglich gemacht werden. Sie haben vor zwei Jahren kritisiert, es gebe zu wenige Kontrolleure im Land. Hat sich daran etwas geändert?Leibig: Nein. Es gibt sogar offene Stellen in Rheinland-Pfalz. Werden Lebensmittelbetrüger hart genug bestraft?Leibig: Die Gesetze sind da, der Strafrahmen mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ist ausreichend. Diese Möglichkeiten müssen nur angewandt werden. Zudem müssen von den Lebensmittelbetrügern auch die Gewinne abgeschöpft werden. Wie intensiv sind die Kontrollen nach dem jüngsten Lebensmittelskandal?Leibig: Wir kontrollieren intensiv. Seit 1. Januar gibt es die so genannte risikobasierte Betriebskontrolle. Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Je risikoreicher das Produkt, das in einem Betrieb verarbeitet wird, desto häufiger muss eine Kontrolle stattfinden. Macht es für mich als Verbraucher einen Unterschied, ob ich mein Frischfleisch beim Metzger oder beim Discounter kaufe?Leibig: Der Metzger weiß meistens noch, wo sein Fleisch herkommt: kurze Schlachtwege, hohe Produktqualität. Etwas anders ist das beim Fleisch, das im Supermarkt vertrieben wird, wo man häufig nicht weiß: Ist das Tier in Deutschland, Belgien oder Polen großgezogen worden? Allerdings: Viel schlechter als beim Metzger ist das Frischfleisch beim Discounter nicht. Worauf sollten die Kunden beim Fleischeinkauf achten?Leibig: Grundsätzlich lieber weniger, dafür qualitativ hochwertiges Fleisch kaufen. Das Fleisch sollte frisch und nicht gefroren sein - und nach dem Kauf möglichst rasch verarbeitet werden. d Mit Karl-Josef Leibig sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz.

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