Wer nicht fühlen will, muss hören

NEUMAGEN-DHRON. Dass Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zurzeit nicht gerade den Ton der Ärzteschaft trifft, ist allseits bekannt. Aber jetzt wird zurückgeschlagen: Von der Mittelmosel schallen harte Töne Richtung Berlin.

"Hey Ulla Schmidt, Gesundheitsminister!" - die Anrede, unterlegt mit fetzigen Rock'n-Roll-Klängen, klingt weder freundlich, noch ist sie so gemeint. Kein Zufall, dass sich "Minister" auf "Philister" reimt. "Ihr macht uns fertig mit eurem Bürokratenkram, benehmt euch wie im Rinderwahn": Die Sprache ist so rau wie die Stimme, die keine Mühe hat, sich gegen Gitarre, Bass und Schlagzeug durchzusetzen. Der Mann, der sich da seinen Frust von der Seele singt, heißt Dr. Wolfhard Ottenhausen und ist Internist in Neumagen-Dhron. Kein junger Wilder im weißen Kittel, sondern ein arrivierter Mediziner Anfang 50, grundsolider Vorsitzender der Vertreterversammlung bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Trier und damit einer der höchsten Ärztefunktionäre der Region. Wenn so jemand ein Lied aufnimmt, das "Blähung im Hirn" heißt und das so bezeichnete semi-medizinische Phänomen eindeutig einer amtierenden Ministerin zuordnet, dann muss der Ärger schon groß sein. Er sei "es satt, ein Bittsteller zu sein", sagt der musikalische Doktor, mit den "Unmengen seriöser Briefe und Stellungnahmen" habe er "sowieso nie Gehör gefunden". Seit der jüngsten Gesundheitsreform beobachtet Ottenhausen immer häufiger verzweifelte Patienten. "Dass es Frauen mit weniger als 300 Euro Rente gibt, versteht in Mainz und Berlin keiner", schimpft er. Er habe in seiner Praxis "Rentnerinnen weinen sehen, weil sie nicht wussten, wie sie die Gebühr bezahlen sollen". Aber die Einwände der Ärzte wolle in der Politik niemand hören, obwohl die Verbände "Monate vorher auf die Probleme aufmerksam gemacht haben". Wo Argumente nichts zählen, sollen nun Gitarren-Riffs für Druck sorgen. So hat sich Ottenhausen seiner Hardrock-Vergangenheit in den späten Sechzigern erinnert, ein paar Freunde zusammengetrommelt und als "Doc Otti" mit der "Grandma Light Band" eine CD eingespielt. Neben der "Blähung im Hirn" enthält das Erstlingswerk einen peppigen Titel im ZZ-Top-Stil, der sich mit der neuen Praxisgebühr beschäftigt. "Zehn Euro nur, für den Schwachsinn pur" lautet der Refrain, der an politischer Deutlichkeit dem Titelsong nicht nachsteht. Den Silberling hat Ottenhausen sorgfältig verpackt und samt Streitschrift an die Ministerin gesandt, verbunden mit kräftigen Worten über "die dilettantische Stümperei" und den "gesetzlich verordneten Unfug" aus dem Hause Schmidt. Die Antwort steht noch aus.CD-Erlös für die Kinderkrebsstation

Bei Ottenhausens Patienten ist die Nachfrage dagegen beachtlich. Deshalb gibt es "Blähung im Hirn" jetzt als Kauf-CD für zehn Euro, inklusive Radiomix und Playbacks zum Selbersingen - ideal für strapazierte Berufskollegen. Der Erlös kommt der Kinderkrebsstation am Trierer Mutterhaus zugute, schließlich, so Ottenhausen mit wiedergefundenem Humor, wolle er sich mit dem Ausflug in die Musik "kein zweites berufliches Standbein verschaffen". Dass er in Berlin mit seinem auf CD gepressten Unmut durchdringt, glaubt "Doc Otti" wohl selber nicht so ganz. Aber immerhin: Er hat denen da oben mal die Meinung gegeigt. Gemäß der Devise, die er Ulla Schmidt im Schlusssatz seines Briefes übermittelte: "Wer nicht fühlen will, muss hören." Kontakt: docottis@email.de www.grandmalightband.de

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