Wiederaufbau im letzten Winkel

BERLIN. Hamid Karzai nahm sich drei volle Tage Zeit für Deutschland, sein "bevorzugtes Land", wie der afghanische Präsident schmeichelte. Ziel seiner Visite in Bochum, Düsseldorf und Berlin war es, die stark schwankende Zustimmung zum Bundeswehreinsatz am Hindukusch wieder zu stabilisieren. Das ist ihm insgesamt gelungen.

Bei einem Frühstück gestern Morgen im Kanzleramt berichtete Präsident Karzai Bundeskanzlerin Angela Merkel von den Fortschritten beim Wiederaufbau. Gleichzeitig warb er um die Fortsetzung des militärischen Engagements. "Ohne die Zusammenarbeit mit der internationalen Staatengemeinschaft stünden wir heute nicht da, wo wir stehen", sagte er.Merkel benennt die Mängel

Merkel erkannte die Erfolge ausdrücklich an, wies aber auch auf Mängel hin. Kritik an der afghanischen Regierung äußerte sie dabei nur indirekt. Vor allem am Ausbau der Infrastruktur, speziell bei der Versorgung mit Strom, müsse "zielstrebig" weitergearbeitet werden, sagte sie. Auch müssten die Gelder tatsächlich bei jenen ankommen, die sie benötigten, und dürften nicht versickern. In jenen Regionen, in denen Aufbauanstrengungen und militärische Sicherung Hand in Hand arbeiteten, gehe es gut voran, sagte die Kanzlerin. Dort habe man auch das Problem des Drogenanbaus besser unter Kontrolle. Die Koordinierung müsse aber noch effizienter werden. Insgesamt sei man mit dem "Mehrsäulen-Ansatz" Aufbau, Ausbildung und militärischer Schutz "auf dem richtigen Weg". Karzai selbst hatte schon am Sonntagabend in einem Hintergrundgespräch mit einigen Journalisten versucht, eine bessere Stimmung für sein Land zu machen. Ihm waren die vielen Gegenstimmen aus dem Lager der Koalition bei der Bundestagsabstimmung über den Tornado-Einsatz ebenso wenig verborgen geblieben wie eine aktuelle Umfrage, der zufolge 57 Prozent der Deutschen für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan sind. Karzais Botschaft: Die Wirtschaft des Landes gesunde langsam, es lohne sich, in Afghanistan zu investieren, vor allem in den Energiesektor. "Wo sonst kann man solche Profite machen?" In den nächsten 20 bis 30 Jahren könne man den Wiederaufbau bis in den letzten Winkel getragen haben. Und zweitens: Afghanistan wolle gar nicht dauerhaft militärischen Schutz, sondern am Ende die Verteidigung des Landes selbst übernehmen. "Die Taliban an sich sind nicht die Bedrohung, das Problem ist unsere eigene Schwäche." Die internationale Staatengemeinschaft müsse mehr für die Ausbildung und Ausrüstung sowohl der Polizei wie auch der Armee tun. Von den geplanten 70 000 Mann ist diese noch weit entfernt. Letztlich seien solche Ausgaben billiger als ein dauerhafter Militäreinsatz, rechnete der Präsident vor. Wegen Afghanistan ist Deutschland jetzt offenbar direkt ins Visier der Al-Kaidia-Terroristen geraten, wie das BKA nach einem Bericht von "Focus" in einer internen Analyse feststellte. Die Geheimdienste fürchten zudem Anschläge am 15. April, wenn die Bundeswehr-Tornados in Afghanistan ihre Aufklärungseinsätze aufnehmen.

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