"Wir erlauben keine Folter"

WASHINGTON. Unmittelbar vor ihrer Abreise nach Europa – erste Station ihrer Reise wird heute in Berlin ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sein – ist US-Außenministerin Condoleezza Rice in der Debatte um umstrittene Antiterror-Taktiken des Weißen Hauses in die Offensive gegangen.

"Wir erlauben keine Folter, und wir fliegen auch keine Gefangenen in andere Länder, um sie dort foltern zu lassen." Condoleezza Rice reagiert auf der Luftwaffenbasis Andrews bei Washington auf massive Forderungen innerhalb der EU zur Aufklärung der Vorwürfe - und begibt sich auf einen ausgeklügelten semantischen Drahtseilakt. Die USA hätten, so Rice, schon seit Jahrzehnten so genannte Überstellungen von Verdächtigen in andere Länder vorgenommen, "und dies ist unter internationalem Recht zulässig". Man lehne jedoch Foltermethoden bei Verhören ab, halte sich an geltende Gesetze und sei in der Vergangenheit eingeschritten, wenn man von derartigen Vorgängen Kenntnis erlangt habe. Damit ist die Argumentationslinie der Außenministerin für die nächsten Tage deutlich geworden: Angesichts der umfangreichen Belege für Flugbewegungen der CIA-Tarnflotte innerhalb Europas werden die so gegannten "renditions" ("Überstellungen") von Terrorverdächtigen grundsätzlich nicht abgestritten, wobei es jedoch keine Detailauskünfte geben wird. Gleichzeitig zieht sich Washington auf den Standpunkt zurück: Solange uns nicht explizit nachgewiesen wird, dass wir von Folterungen in anderen Ländern wussten, darf uns kein Vorwurf gemacht werden. Kein Wort zu "Geheimgefängnissen"

Rice deutet überdies an, dass bei den Transportflügen nach ihrer Interpretation keinesfalls der Luftraum von befreundeten Nationen wie Deutschland verletzt worden sei. "Wir respektieren die Souveränität von Alliierten", betonte Rice. Diese Aussage dürfte dafür sprechen, dass Regierungsmitglieder in diesen Ländern offenbar von den Flügen wussten und sie auch - zumindest stillschweigend - billigten. Die US-Außenministerin bestätigt gleichzeitig, dass Geheimdienste befreundeter Staaten geholfen hätten, Informationen von Terrorverdächtigen zu gewinnen. "Diese Informationen haben Attacken gestoppt und das Leben von Unschuldigen gerettet - in Europa, den USA und anderen Ländern", sagt Rice. Auf die von US-Medien berichtete Existenz so genannte "Geheimgefängnisse" der CIA in Osteuropa geht die Außenministerin bewusst nicht ein: Man könne keine Informationen diskutieren, die den Erfolg von Geheimdienst- und Militäroperationen gefährden würden. Mit diesem Satz folgt Rice der bisherigen Argumentationsroute des Weißen Hauses. Für die Zukunft stellt die Politikerin dann indirekt mögliche negative Folgen in Aussicht, falls die Diskussion um die amerikanischen Anti-Terrormaßnahmen in Europa zu für Washington unbequemen Beschlüssen führe: "Es liegt in den Händen dieser Regierungen und ihrer Bürger zu entscheiden, ob sie mit uns zusammenarbeiten wollen, um Terrorattacken gegen ihre eigenen und andere Länder zu verhindern, und zu entscheiden, in welchem Umfang sie sensible Informationen öffentlich machen."

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