"Wir haben ein super Paket geschnürt"

MAINZ. Ungeachtet ständig neuer Vorschläge zur Finanzierung des Gesundheitswesens und trotz allen Parteienstreits sind sich CDU und SPD über wesentliche strukturelle Eckpunkte einer Reform weitgehend einig. Pauschalen für die Ärzte, größerer Verhandlungsspielraum für Kassen und mehr ambulante Versorgung sollen Qualität und Effizienz steigern.

Die Meldungen über neue Finanzierungsmodelle für die Gesundheitsreform überschlugen sich wieder einmal, als sich die Mainzer Sozial- und Gesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD) am Mittwoch zum x-ten Mal auf den Weg nach Berlin zu den Verhandlungen der Koalitionsrunde machte. Die Einigungspunkte gehen unter

Während sich die Parteispitzen vor allem darüber streiten, ob Beiträge zur Krankenversicherung gedeckelt, ein Gesundheitssolidarbeitrag eingeführt oder die private Krankenversicherung zur Kasse gebeten werden sollen, geht die weitgehende Einigung über die Strukturänderungen in der Wahrnehmung größtenteils unter. Dabei sei in den vielen Verhandlungsrunden "ein super Paket" geschnürt worden, dass vor allem auf drei Komponenten aufbaut, betont Dreyer (Foto: dpa) als Mitglied der Arbeitsgruppe. So soll ein neues Vergütungssystem für die Ärzte vor allem mehr Transparenz bringen und Bürokratie vermeiden. Abgerechnet wird dann in erster Linie nach Pauschalen. Einzelne Leistungen sollen nur noch sehr begrenzt gesondert vergütet werden. Zwischen Kassen, Apothekern, Pharmaindustrie und Ärzten wird es nach den Plänen von Union und SPD mehr Verhandlungsfreiheit geben. Kassen können dann etwa bestimmte Wirkstoffe ausschreiben und anschließend einen freiwillig zu nutzenden günstigeren Hausarzttarif schaffen, der auf einer bestimmten Medikamentenliste basiert. Erheblich gestärkt werden soll das Zusammenspiel von ambulanter und stationärer Behandlung (integrierte Versorgung). Bislang scheiterte bei schweren Erkrankungen laut Dreyer oft eine ambulante Behandlung in Kliniken, weil die Finanzierung aus unterschiedlichen Finanztöpfen zu große Probleme aufwarf. Andere Länder sind nach Angaben der Gesundheitsministerin gerade in diesem Bereich erheblich weiter als Deutschland. Wieviel an Einsparungen die strukturellen Änderungen bringen können, wird derzeit gerade in der Verhandlungsrunde zu errechnen versucht. In der Finanzierungsfrage ist sich die Koalition bisher nur grundsätzlich einig, dass die Gesundheitskosten teilweise vom Faktor Arbeit abgekoppelt werden sollen und damit verstärkt über Steuern zu finanzieren sind. Für Dreyer ist klar, dass es eine Deckelung der Krankenkassenbeiträge nur für Arbeitgeber nicht geben kann. Sie ist sich sicher, dass trotz vieler noch offener Fragen das Gesamtpaket bis zur Sommerpause im Juli steht. Für den Chef der AOK Rheinland-Pfalz, Walter Bockemühl, gehen die inhaltlichen Annäherungen von Union und SPD bei der Reform in die richtige Richtung. Arztleistungen mit berechenbaren Pauschalen zu vergüten, sei ein gerechterer Weg als das derzeitige Punktesystem. Allerdings müsse den Kassen die Möglichkeit gegeben werden, die Menge der Leistungsfälle mit zu steuern, um den Systemwechsel kostenneutral zu halten, so Bockemühl. Uneingeschränkte Zustimmung signalisiert er für den Plan, die Kosten für Medikamente künftig über direkte Verhandlungen oder eine Ausschreibung von Wirkstoffen stärker zu begrenzen. Aus Sicht des AOK-Chefs ergeben sich auch aus einem verstärkten Ausbau der integrierten Versorgung mittelfristig erhebliche Einsparpotentiale. Durch mehr Vertragsfreiheit und Flexibilität bei der ambulanten Behandlung erhofft er sich die Vereinbarung maßgeschneiderter Versorgungskonzepte mit den Ärzten. Allerdings fordert Bockemühl auch Sanktionsmöglichkeiten für die Kassen, um künftig etwa überflüssige Doppeluntersuchungen oder mangelhafte ärztliche Leistungen nicht mehr bezahlen zu müssen.

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