"Wir müssen die fördern, die Zukunft haben"

BERLIN. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Bärbel Höhn, rechnet mit steigenden Lebensmittelpreisen in Deutschland. Der Bedarf an Lebensmitteln wachse weltweit, begründet Höhn im Gespräch mit unserer Zeitung.

In diesem Zusammenhang kritisiert die Agrarexpertin die zunehmende Knappheit von Bioprodukten in Deutschland. "Das hat politische Gründe", sagte Höhn. Frau Höhn, Bioprodukte werden knapp. Wieso können die Bauern die Nachfrage nicht stillen?Höhn: Das hat politische Gründe. Systematisch ist von den Ländern die Förderung des Ökolandbaus zurückgefahren worden. Bei ihren angeblich so erfolgreichen Verhandlungen in Brüssel hat Kanzlerin Merkel zudem dafür gesorgt, dass die Bauern gerade für die umweltverträgliche Landwirtschaft ungefähr 400 Millionen Euro weniger erhalten. Mich wundert es nicht, dass also nur wenige Landwirte den Umstieg zum Biobauern wagen. Zugleich ist die Nachfrage nach Öko-Produkten aber um 15 Prozent gestiegen. Wer jetzt seine Bioprodukte auf den Markt bringt, muss angesichts der dreijährigen Umstellungsfrist den Wechsel 2004 gewagt haben. Da war Ihre Parteifreundin Künast Ministerin. Höhn: Das stimmt. Aber eine Menge Landesregierungen haben schon vor Jahren damit begonnen, die Förderung für die Herstellung von Ökoprodukten deutlich zu reduzieren. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren noch mehr ausweiten - und anders als Renate Künast steuert der jetzige Agrarminister Horst Seehofer nicht dagegen. Im Gegenteil, er spielt das Spiel mit, übrigens unter Beteiligung der SPD. Das alles aus ideologischen Gründen. Zugleich hat es aber doch einen Mentalitätswechsel des Verbrauchers hin zu Bioprodukten gegeben. Haben die Bauern den Trend verschlafen?Höhn: Das glaube ich nicht. Man muss wissen: Das letzte Jahr war das Jahr mit den meisten Lebensmittelkrisen in Deutschland, die wir je hatten. Das hat den Biotrend noch verstärkt und die Nachfrage steigen lassen. So schnell kann auch kein Bauer reagieren. Was schlagen Sie vor, um die Entwicklung zu stoppen?Höhn: Die Union muss ihre Ideologie über den Haufen werfen und endlich sagen: Wir müssen die fördern, die Zukunft haben. Es kann doch nicht sein, dass die Nachfrage nach Ökoprodukten in Deutschland zunehmend vom Ausland bedient wird. Schließlich gibt es hier zu Lande immer mehr Verbraucher, die auf Qualität zurückgreifen wollen, die heimische Produkte bevorzugen möchten. Wie werden sich die Preise bei den Lebensmitteln entwickeln?Höhn: Die Statistik gibt noch nicht wieder, dass die Preise erheblich gestiegen sind. Der Bedarf an Lebensmitteln wächst aber weltweit. Länder wie China, Indien und Brasilien verzeichnen angesichts ihres wirtschaftlichen Wachstums eine deutlich größere Nachfrage nach Lebensmitteln. Das kann auch in Deutschland zu Preissteigerungen führen. Und: Das Interesse an Bioenergie wächst, weshalb zum Beispiel der Raps zur Herstellung von Margarine schon deutlich teurer geworden ist. Das Interview führte unser Korrespondent Hagen Strauß.

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