"Wir müssen öfter ,Halt!’ rufen”

TRIER. Stephan Wahl ist Medienchef des Bistums Trier und populärer "Fernsehpfarrer" beim "Wort zum Sonntag”. Er plädiert im TV-Interview für mehr Rücksicht auf die Gefühle von Gläubigen, fordert aber auch die Fähigkeit ein, mit Verletzungen und Provokationen sachlich umzugehen.

Herr Wahl, können Sie den Ärger und den Frust von Moslems verstehen, die ihren Glauben durch die Karikaturen angegriffen und beleidigt sehen?WAHL: Ich kann die Verletzung verstehen, nicht die Empörung. Man muss Dinge, die man als Beleidigung empfindet, nicht einfach hinnehmen. Aber man muss auch in der Lage sein, über Verletzungen zu reden, statt sich in Zorn hineinzusteigern. Der satirische, journalistische oder künstlerische Umgang mit einem religiösen Glauben ist ja nicht nur ein Problem des Islams. Fühlen Sie sich als Christ in Deutschland hinreichend respektiert?WAHL: Es ist manchmal bedauernswert, wie leicht die Schwelle überschritten wird beim Umgang mit religiösen Symbolen wie etwa dem Kreuz. Ich denke, ich kann von einem anderen Menschen erwarten, dass er mich in den Dingen, die mir wichtig sind, oder besser: die mir heilig sind, ernst nimmt. Umgekehrt natürlich auch. Wo ist denn für Sie die Grenze?WAHL: Christen sind keine Spaßverderber. Ich kann zum Beispiel über einige Szenen in einem Film wie "Das Leben des Brian" (eine derbe Jesus-Satire) schmunzeln, über manche auch herzlich lachen. Aber über die Kreuzigungsszene noch nie. Ärgern Sie sich, wenn Sie so etwas sehen?WAHL: Ich ärgere mich öfter, wenn mit Absicht Dinge, die mir heilig sind, aufs Korn genommen werden. Da müsste öfter mal deutlich "Halt" gerufen werden. Die Gesellschaft hat sich da vielleicht zu sehr an Grenzüberschreitungen gewöhnt, die Betroffenen nicht. Reichen denn aus Ihrer Sicht die formalen Schutzmechanismen in unserer Gesellschaft aus?WAHL: Es ist gut, dass wir Pressefreiheit haben. Und es ist gut, dass es ausreichend gesetzliche Möglichkeiten gibt, sich zu wehren. Es gibt bei Veröffentlichungen einen Presserat, den man anrufen kann. Das ist ja auch schon passiert und bleibt nicht folgenlos. Nicht neue Gesetze sind nötig, sondern mehr Respekt voreinander. Das Gespräch führte TV-Redakteur Dieter Lintz.

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