"Wir stecken den Kopf nicht in den Sand"

Auch einen Tag nach dem spektakulären Polizeieinsatz im Trie rer Stadtteil Pallien ist die Suche nach der seit über einer Woche vermissten Studentin Tanja Gräff fortgesetzt worden. Und noch immer gibt es keine Spur von der 21-Jährigen.

 Ein Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes öffnet eine Haustür in Trier-Pallien. Die Bewohnerin war nicht da. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Ein Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes öffnet eine Haustür in Trier-Pallien. Die Bewohnerin war nicht da. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Trier. Es sind manchmal die kleinen Gesten, denen eine besondere Bedeutung zukommt. Es ist kurz nach 14 Uhr gestern Mittag, als vor dem Trierer Stadion plötzlich ein dunkler Mercedes hält und Oberbürgermeister Klaus Jensen aussteigt. Niemand aus der rund 30-köpfigen Gruppe junger Leute, die sich um diese Uhrzeit dort verabredet hat, um im Stadtteil Trier-Nord Plakate und Handzettel für die vermisste Tanja zu verteilen, hat den OB eingeladen. Und niemand wusste davon, dass Jensen kommen würde. "Ich wollte nur mal kurz vorbeischauen", meint das Stadtoberhaupt, das wenige Minuten zuvor mehrere hundert Gäste aus der Partnerstadt Weimar am Bahnhof empfangen hatte. Und nun dieses Kontrastprogramm. "Die jungen Leute brauchen Aufmunterung", sagt Jensen, "die Suche nach der vermissten Tanja ist hart - für alle Beteiligten."Was vielen wie eine Politikerfloskel klingen mag, ist in diesem Fall echte Betroffenheit. Jensens Tochter hat gemeinsam mit Tanja am Trierer Hindenburg-Gymnasium Abitur gemacht.

Szenenwechsel: 16 Stunden zuvor im auf der anderen Moselseite unterhalb der Fachhochschule gelegenen Stadtteil Pallien. Etwa 100 Polizisten ziehen ihre schusssicheren Westen aus und verlassen nach und nach den Schauplatz des Geschehens. Die Situation hat etwas Surreales: Eigentlich könnten alle Beteiligten erleichtert sein, dass sich die Befürchtungen nicht bewahrheitet haben. Anrufer hatten am Nachmittag die Polizei informiert, weil sie laute Hilferufe einer Frau gehört hatten. Fast der komplette Stadtteil war daraufhin abgeriegelt worden, Wohnung für Wohnung wurde durchsucht. Ergebnislos. Keine Spur von der vermissten Tanja, wie viele zuvor gehofft hatten. Die Enttäuschung steht einigen Beamten ins Gesicht geschrieben.

Viele der Polizisten sind schon seit Tagen an der Suche nach der vermissten jungen Korlinger Studentin beteiligt, einige haben selbst Töchter in Tanjas Alter. Da stellt sich die Betroffenheit von allein ein.

Hinzu kommt, schleichend und Tag für Tag etwas mehr, der öffentliche Druck. Niemand spricht es offen aus, doch die Erwartungshaltung ist spürbar: Wann endlich vermeldet die Polizei einen Ermittlungserfolg? Vielleicht wenigstens eine hoffnungsvolle Spur oder ein winziges Indiz, das weiterhelfen kann. Das über eine Woche andauerende Auf-der-Stelle-Treten im Fall Tanja macht langsam mürbe - alle Beteiligten.

Noch einmal zurück vors Trie rer Stadion, wo Tanjas Freunde und Kommilitonen an diesem Nachmittag in Vierergruppen ausschwärmen, um die Anwohner über das Schicksal der seit über einer Woche vermissten jungen Frau zu informieren. Fast genauso lange ist die Gruppe schon aktiv, hat - gemeinsam mit vielen anderen - eine beispiellose Suchaktion auf die Beine gestellt. Denkt man da nicht langsam ans Aufhören angesichts eines ausbleibenden Erfolgserlebnisses? "Nein", sagt Sprecher Christian Jäger, "wir stecken den Kopf nicht in den Sand. Wir suchen weiter, bis Tanja wieder da ist."

EXTRA

Externe Hilfe: Die Suche nach Tanja Gräff wird nicht allein von Freunden und Bekannten bestritten. So hat etwa der TV-Zustelldienst 60 000 Flyer in ganz Trier verteilt. Auch in Thionville, Metz sowie weiteren Gemeinden im Elsass und in Lothringen sollen französischsprachige Hinweise verteilt werden. Kein Einzelfall: Bundesweit verabreden sich Studenten, um Suchplakate anzubringen, etwa in Berlin, Bremen, Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg, aber auch in Wittlich und Hermeskeil. So sind auf dem Internet-Uni-Portal studivz fast 10 000 Studenten in einem speziell für die Suche eingerichteten Forum aktiv. Die Initiatoren wollen damit möglichst viele Menschen erreichen - um Hinweise zu bekommen. Nicht nur Plakate sind dabei im Einsatz. Ein Musiker will ein Video mit der Suchanzeige bei einem Konzert aufführen. Und eine Studentin fragt zwar nach dem Sinn, einen Suchflyer an ihr Auto zu kleben. Die gleich hinterher geschobene Antwort: "Ach, ich machs einfach." (sey/mc)

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