Wirbel um steigende Sozialabgaben

Nach den jüngsten Sparankündigungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kommt auf die Bürger womöglich auch noch eine deutliche Erhöhung der Sozialabgaben zu. Einem Pressebericht zufolge könnte der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung ab 2011 von 2,8 auf 4,5 Prozent steigen.

Berlin. Die Regierung dementiert vorerst. Arbeitnehmer in den alten Ländern hätten bei einem solchen Anstieg monatlich bis zu 56,40 Euro weniger in der Tasche. Im Osten läge das Minus je nach Verdiensthöhe bei maximal 47,90 Euro. Die Bundesregierung dementierte zwar entsprechende Pläne. Auf die Frage, wie das absehbare Milliardendefizit in der Arbeitslosenversicherung zu beheben ist, wusste Regierungssprecher Ulrich Wilhelm allerdings auch keine Antwort. Erst müsse die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt abgewartet werden. Festlegungen zum jetzigen Zeitpunkt hätten keinen Sinn. Dabei hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits konkrete Prognosen für die nächsten Jahre genannt. Und die sind zweifellos düster. Für 2010 rechnet die BA im Schnitt mit 4,1 Millionen Erwerbslosen. Das sind 600 000 mehr als in diesem Jahr. Für 2011 und 2012 sagte BA-Chef Jürgen Weise keine durchgreifende Änderung voraus. "Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung ist das operative Geschäft der Arbeitsagentur nicht mit einem Beitrag von 2,8 Prozent zu finanzieren", erklärte sein Sprecher John-Philip Hammersen gestern gegenüber unserer Zeitung. Noch bis Ende 2006 lag der Satz bei 6,5 Prozent vom beitragspflichtigen Bruttolohn. Angesichts einer deutlichen wirtschaftlichen Erholung wurde er von der vormaligen Großen Koalition bis Anfang 2009 in mehreren Schritten auf 2,8 Prozent abgesenkt. Dabei waren die Krisensymptome zuletzt bereits deutlich zu spüren gewesen. Ende 2008 verfügte die BA noch über Rücklagen von 17 Milliarden Euro. Inzwischen ist dieses Polster auf zwei Milliarden Euro zusammengeschrumpft und wird 2010 hinten und vorne nicht mehr reichen. Um den Beitragssatz trotzdem stabil zu halten, muss der Bundesfinanzminister deshalb 16 Milliarden Euro aus Steuergeldern zuschießen. Allein die Ausgaben für das Arbeitslosengeld I werden sich 2010 um fast fünf auf über 22 Milliarden Euro erhöhen.

Die Aufwendungen für das staatlich geförderte Kurzarbeitergeld sind mit rund drei Milliarden Euro veranschlagt. Noch vor zwei Jahren gab die BA nach eigenen Angaben lediglich 110 Millionen Euro dafür aus. Da die Krise auf dem Arbeitsmarkt zeitversetzt ankommt, rechnen Experten auch noch für 2011 mit einem ungedeckten Finanzierungsbedarf von etwa 14 Milliarden Euro, und das obwohl der Beitrag nach geltender Gesetzlage ab Januar des übernächsten Jahres von 2,8 auf drei Prozent steigt.

Nach Angaben der BA spült ein Beitragspunkt rund 7,5 Milliarden Euro in ihre Kasse. Würde der Beitrag also nicht auf drei, sondern auf 4,5 Prozent klettern, dann wären die fehlenden 14 Milliarden Euro nahezu abgegolten, und der Finanzminister könnte auf einen weiteren Steuerzuschuss verzichten.

Woher Schäuble das Geld dafür nehmen soll, steht in den Sternen. Schließlich hat sich die Regierung ebenfalls für 2011 eine große Streuerreform mit einem Entlastungsvolumen von 24 Milliarden Euro auf die Fahnen geschrieben. Die Opposition schlussfolgert, dass eine drastische Anhebung des Versicherungsbeitrages daher unausweichlich ist. So würden jene am stärksten getroffen, die eher wenig verdienten, kritisierte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß.

Extra Beitragssatz: Bei der verzweifelten Suche nach Geld zum Stopfen der Löcher im Bundeshaushalt richten sich die Blicke auf den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung. In der schwarz-gelben Koalition gibt es Überlegungen, diesen Beitragssatz deutlich anzuheben, um die Defizite der BA nicht länger über Zuschüsse oder Darlehen des Bundes ausgleichen zu müssen. Diskutiert wird über eine Erhöhung von 2,8 bis auf 4,8 Prozent. Dies brächte der BA etwa 14 Milliarden Euro mehr in die Kassen. Sie könnte damit ein für 2011 prognostiziertes Defizit in ähnlicher Größe aus eigener Kraft ausgleichen. Erst Anfang 2009 war der Beitragssatz zur Abmilderung der Krisenfolgen auf 2,8 Prozent des Bruttoeinkommens gesenkt worden. Beschlossen ist, dass er Anfang 2011 auf drei Prozent steigt. (dpa)

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