Wird Marx der neue Lehmann?

TRIER. Im Herbst wählt die Deutsche Bischofskonferenz einen neuen Vorsitzenden. Seit Amtsinhaber Kardinal Karl Lehmann (68) öffentlich über einen Abschied vom Chefsessel nachgedacht hat, schießen die Spekulationen über einen möglichen Nachfolger ins Kraut. Oft genannt: der Trierer Bischof Reinhard Marx (51).

Der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann ist zweifelsohne einer der geachtetsten und profiliertesten deutschen Kirchenmänner. Vor allem wegen seiner Fähigkeit, bei komplizierten Sachverhalten wie etwa der Schwangerenkonfliktberatung zwischen den Bischöfen zu vermitteln und dabei keine Seite auszugrenzen, steht Lehmann seit 1987 unangefochten an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz. Spekulationen über eine weitere Amtszeit des populären 68-Jährigen könnte man sich also getrost sparen, hätte nicht unlängst Lehmann selbst die Gerüchteküche kräftig angeheizt. Als der Mainzer Kardinal nach der Wahl Joseph Ratzingers zum Papst von einigen Medien für einen Posten im Vatikan gehandelt wurde, wies er dies nicht nur in scharfer Form zurück, sondern stellte sogar öffentlich sein Vorsitzendenamt in Frage: "18 Jahre, das reicht jetzt auch langsam mal." Kaum gesagt, begaben sich Medien- und Kirchenkreise auch schon auf die Suche nach der dahinter stehenden Botschaft. "Entweder denkt Lehmann wirklich ans Aufhören. Oder er blufft nur, weil der Kardinal gebeten werden möchte", sagt ein hochrangiger Vertreter der Katholischen Kirche unserer Zeitung. Für Lehmanns neuerliche Kandidatur spricht die zeitliche Parallelität zum Bischofsamt: Würde der dann 69-Jährige im September erneut zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz gewählt, dauerte die Amtszeit bis zu seinem 75. Geburtstag. Zu diesem Zeitpunkt müsste er den Papst ohnehin um seine Entpflichtung als Bischof bitten. Zweifel, ob sich der Kardinal "dem ganzen kräftezehrenden Stress" noch einmal aussetzen will, äußern derweil selbst kirchennahe Kreise wie die katholische Zeitung "Tagespost". Hinzu komme, dass die vatikanische Bischofskongregation anstrebe, die Amtszeit der nationalen Konferenz-Vorsitzenden - wie schon in einigen Ländern üblich - weltweit auf zwei Perioden zu begrenzen. Der seit 1987 amtierende Lehmann wurde bereits zwei Mal wiedergewählt. Was aber geschieht, wenn der Mainzer im September tatsächlich nicht mehr antritt und ein Nachfolger als Chef der Bischofskonferenz gesucht wird? Die Namen dreier deutscher Bischöfe werden in diesem Kontext immer wieder genannt: der Regensburger Oberhirte Gerhard Ludwig Müller (57), der Essener Felix Genn (55) und der Trierer Reinhard Marx (51). Vor allem Marx, "shooting star" im deutschen Episkopat, und sein ehemaliger Weih- und jetzige Ruhrbischof Felix Genn werden in Kirchenkreisen als heiße Favoriten gehandelt, sollte Lehmann nicht noch einmal antreten. Für höhere Weihen gehandelt

Dabei habe Marx die besseren Karten, sagen hohe Kirchenvertreter, "weil er in der Öffentlichkeit einfach besser rüberkommt"; nicht ganz unwichtig für den vor allem von den Medien häufig angefragten Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Dass der Trierer auf dieser Klaviatur zu spielen versteht, hat Reinhard Marx nicht zuletzt bei der Wahl des neuen Papstes unter Beweis gestellt: Kein anderer deutscher Bischof (außer vielleicht Lehmann) wurde von Zeitungen, Radio- und Fernsehanstalten so häufig nach seiner Meinung gefragt (siehe auch TV vom 22. April). Dass der "Jungspund" unter den deutschen Bischöfen schon nach kurzer Zeit in Trier öffentlich für höhere Weihen gehandelt wird, gefalle ihm selbst gar nicht, ist zu hören. Andererseits: Verwundern kann es Reinhard Marx auch nicht. Auf die mögliche Lehmann-Nachfolge angesprochen, wiegelt Marx-Sprecher Hans Casel pflichtschuldigst ab: "Mit Kardinal Lehmann hat die Bischofskonferenz einen guten, erfahrenen und weit respektierten Vorsitzenden. Es gibt keinen Anlass, über eine Nachfolge im Amt des Vorsitzenden zu spekulieren." Eine Aussage, die keine Gültigkeit mehr besitzt, seit Lehmann selbst mit seiner "Das reicht aber jetzt langsam auch mal"-Äußerung die Spekulationen erst richtig angeheizt hat.

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