"Wirklich gefährlich ist der Trend nicht"

Berlin · Laut Statistischem Bundesamt sind die Gesundheitsausgaben in Deutschland schon das vierte Jahr in Folge stärker gestiegen als das Bruttosozialprodukt. Herr Wasem, ist die rasante Ausgabendynamik gefährlich?


Jürgen Wasem Nun, wir sind eine alternde Gesellschaft und wollen gleichzeitig am medizinischen Fortschritt teilhaben. Das liegt es nahe, dass die Kosten im Gesundheitsbereich stärker steigen als die Wirtschaftsleistung. Vor 40 Jahren hat Deutschland noch acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Gesundheit aufgewendet. Jetzt sind es elf Prozent. Wirklich gefährlich ist dieser Trend nicht.

Warum verursacht der medizinische Fortschritt automatisch höhere Kosten? Fernsehgeräte sind doch auch immer besser und gleichzeitig billiger geworden.
Wasem Sicher muss nicht jeder Fortschritt in der Medizin teurer sein. Allerdings haben wir schon ein sehr hohes Versorgungsniveau in Deutschland. Zusätzliche Verbesserungen sind da oft nur zu sehr hohen Kosten realisierbar. Mit neuen Krebsmedikamenten zum Beispiel kann man das Leben der Betroffenen um einige Monate verlängern. Aber die haben eben ihren Preis.

Zuletzt sorgte ein neues Hepatitis-C-Mittel für Schlagzeilen, das 700 Euro pro Tablette kostete. Werden die Kassen so etwas in Zukunft noch finanzieren können?

Wasem Seit einigen Jahren sind die Preisverhandlungen zwischen Kassen und Pharmaherstellern strenger reglementiert. Das ist sicher ein Fortschritt. Schon wegen der alternden Gesellschaft stellt sich allerdings tatsächlich das Problem, ob wir uns in Zukunft noch beinah alles und zu jedem Preis leisten können. Hier scheut die Politik noch die Diskussion.

Wo ließe sich viel Geld sparen, ohne die Versorgung zu beeinträchtigen?

Wasem Die größten Wirtschaftlichkeitsreserven liegen in der immer noch weitgehenden Trennung zwischen Krankenhäusern und Praxisärzten. Mit dem Abbau unnötiger Doppelstrukturen ließe sich tatsächlich viel Geld sparen.

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