Wohin mit dem Geld? - Steuereinnahmen steigen stärker für Bund, Länder und Kommunen

Berlin · Die Politiker wollen kleinere Einkommen entlasten. Welche Ideen haben sie?

Bund, Länder und Kommunen können weiter mit stärker steigenden Steuereinnahmen rechnen als ursprünglich veranschlagt. Nach der am Donnerstag veröffentlichten Prognose des Schätzkreises werden es bis zum Jahr 2021 rund 54,1 Milliarden Euro mehr sein als noch im November vorhergesagt.

Die Regierung habe "Vorsorge geleistet, dass eine künftige Mehrheit in der nächsten Legislaturperiode Handlungsspielraum hat", meinte Kassenwart Wolfgang Schäuble (CDU) im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl. Zugleich dämpfte der CDU-Politiker die Erwartungen für teure Versprechungen. Eine "maßvolle Entlastung" kleinerer und mittlerer Einkommen sei aber möglich, so Schäuble. Zuletzt hatte er mehrfach eine Steuersenkung im Umfang von 15 Milliarden Euro pro Jahr in Aussicht gestellt - freilich erst nach dem Urnengang im September.

Nach der aktuellen Prognose nimmt der Staat allein in diesem Jahr 732,4 Milliarden Euro ein - 7,9 Milliarden mehr als noch Ende 2016 vorhergesagt. Der unverhoffte Zuwachs ist aber ungleich verteilt. So profitiert der Bund davon mit nur 2,4 Milliarden Euro. Für Länder und Kommunen dagegen stehen 6,5 beziehungsweise 2,5 Milliarden Euro mehr in Aussicht.

Mit der Bekanntgabe der Prognose überschlugen sich am Donnerstag die Bekenntnisse für eine spürbare Entlastung der Bürger. Wir befragten dazu Politiker der Bundestagsparteien:

So erklärte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann: "Damit Konjunktur und Wachstum in Deutschland dauerhaft stabil bleiben, brauchen wir dringend mehr Investitionen in Bildung, Infrastruktur und schnelles Internet." Die Steuermehreinnahmen zeigten aber auch, dass es Zeit für mehr Steuergerechtigkeit sei. Auch die SPD will nach den Worten Oppermanns "kleine und mittlere Einkommen gezielt entlasten". Die gute Entwicklung müsse auch bei denen ankommen, "die jeden Tag hart und ehrlich arbeiten und bei denen es am Monatsende trotzdem knapp wird oder nicht reicht", so Oppermann.

Der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, Carsten Linnemann, plädierte für grundlegende steuerliche Entlastungen: "Das Steueraufkommen hat sich seit 1950 verzwölffacht, die Steuerlast je Einwohner verachtfacht. Mittlerweile zahlen Millionen von Facharbeitern den gleichen Spitzensteuersatz wie ihre Chefs", erläuterte der CDU-Mann. Gleichzeitig gebe es einen Steuerrekord nach dem anderen. Es sei "dringend an der Zeit für eine große Steuerstrukturreform, die die Belastung gerade kleiner und mittlerer Einkommen reduziert", so Linnemann. Anders als sein Parteifreund Schäuble hält er sogar jährliche Steuererleichterungen von bis zu 40 Milliarden Euro für erreichbar.

Auch Sahra Wagenknecht, Fraktionschefin der Linken, kritisierte die Steuerbelastungen als viel zu hoch. Allerdings nicht für die Vermögenden. "Das Geld für das Steuerplus hat Schäuble den unteren und mittleren Einkommensbeziehern aus der Tasche gezogen." Die Steuerschätzung unterstreiche die Richtigkeit der Forderung ihrer Partei "nach einer deutlichen steuerlichen Entlastung mittlerer und niedriger Einkommen sowie höherer Steuern für Superreiche, damit eine Stärkung des Sozialstaats und dringend notwendige Investitionen solide finanziert werden können."

Dagegen verlangte die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, die Überschüsse gezielt zur Armutsbekämpfung zu verwenden. "Falls Herr Schäuble es schon vergessen haben sollte: Nicht nur bei den Steuereinnahmen, sondern auch bei der Einkommensungleichheit ist Deutschland auf einem Höchstwert angekommen." Die Armutsziffern, besonders die Kinderarmut stagnierten auf einem erschreckenden Niveau. "Da hilft ein Wettlauf mit Steuergeschenken, die CDU, SPD und FDP nun mit der Gießkanne verteilen wollen, kein Stück weiter", meinte die Grünen-Politikerin. Nötig seien gezielte Entlastungen für Alleinerziehende sowie für Familien und Menschen mit geringem Einkommen.

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