Zahlen und Zähneknirschen

TRIER/BERLIN . (len/dpa) Der Start verlief ruhiger als erwartet: Die Einführung der Praxisgebühr hat trotz teilweise harscher Kritik von Ärzten und Patienten nicht zu größeren Problemen geführt.

Die Praxisgebühr scheint den Praxistest zu bestehen: Während Mediziner und Klinikbeschäftigte am Freitag über den zusätzlichen Arbeitsaufwand klagten, lieferten die meisten Patienten zähneknirschend ihren seit 1. Januar fälligen Obolus von zehn Euro in bar ab. Die von Regierung und Union im Vorjahr mit der Gesundheitsreform beschlossene Praxisgebühr wird fällig beim ersten Arzt- und Zahnarztbesuch im Quartal, auch wenn es dabei nur um die Ausstellung eines Rezepts geht. Bei Überweisung an einen Facharzt, Kontroll- Besuchen beim Zahnarzt, Schwangerschaftsvorsorge oder Schutzimpfungen entfällt die Gebühr. Über Bonusmodelle der Kassen können sich Versicherte die Praxisgebühr dann ganz oder teilweise zurückholen. Hausbesuche: Zehn Euro auf dem Küchentisch

Auch bei den Ärzten der Region verlief Tag eins der Praxisgebühr ohne ernsthafte Probleme. "Heute ist es noch einfach, es müssen ja alle bezahlen", sagte Thorsten Koech, Allgemein-Mediziner aus Leiwen. Dass sie zehn Euro zahlen müssen, haben fast alle mitbekommen. "In der Regel nehmen die Patienten die Gebühr hin", berichtetKoech. "Ich hatte erst einen, der nicht zahlen wollte." Unsicherheit bestünde aber darüber, wie oft die Summe zu entrichten sei. Problemlos ist bei Wolfgang Schäfgen, Allgemein-Mediziner in Trierweiler, der erste Arbeitstag im neuen Jahr verlaufen. "Uns ist noch niemand die zehn Euro schuldig geblieben", berichtet er. "Bei meinen Hausbesuchen hatten die Leute das Geld schon auf dem Küchentisch liegen, nach ihrem Versichertenkärtchen mussten einige aber suchen." Verwaltungstechnisch sei die Gebühr für ihn unproblematisch, zu Wartezeiten führe aber mitunter, dass er die Quittungen persönlich unterschreiben müsse. Informationsbedarf hätten die meisten Patienten aber bei anderen Aspekten der Gesundheitsreform. Nicht gut auf die Praxisgebühr zu sprechen ist Allgemeinmediziner Volker Blasy aus Waldrach: "Für uns bedeutet die Gebühr mehr Verwaltungsarbeit. Wenn ich von meinen Patientenbesuchen komme, fängt die eigentliche Arbeit erst an, ich muss mein Kassenbuch führen." Die Patienten selbst würden anstandslos zahlen. "Es gab keine Diskussionen. Die Leute sind informiert, sie haben die Pille geschluckt." "Nicht weniger Patienten als sonst"

Viele Praxen der Region waren am Freitag wegen der Feiertage noch geschlossen, in den anderen herrschte der für einen solchen Tag übliche Betrieb. "Es kommen nicht weniger Patienten als sonst, sie haben auch nicht besonders geschimpft", berichtete Carl-Heinz Müller, Allgemein-Mediziner in Trier und Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Trier. "Die Begrüßung war heute anders, die Patienten mussten anstehen, bis alles geklärt war." Für die Mitarbeiter in den Praxen bedeutet die Gebühr zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Müller: "Die Helferinnen sind die Hälfte ihrer Zeit mit dem Geldeintreiben beschäftigt. Die Quittungsvorlagen sind noch nicht geliefert worden, wir drucken deshalb die Quittungen auf Rezepte." Manche Patienten haben Befreiungs-Bescheinigungen für die Zuzahlungen, die bis 2005 oder 2006 ausgestellt sind. Sie verstünden oft nicht, so Müller, dass diese Bescheinigungen ihre Gültigkeit verloren haben. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung rechnet mit weiteren Problemen in den kommenden Wochen: "Viele Patienten wissen nicht, warum sie die Quittungen aufheben müssen. Sie werden mit den Quittungen zu Fachärzten gehen und sich wundern, wieso sie trotzdem zahlen müssen."

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