Zaumzeug für den Amtsschimmel

TRIER. Leser lichten den Paragraphen-Dschungel: Vor knapp zwei Wochen rief der TV dazu auf, ihm "im Namen des Volkes" überflüssige Gesetze und Vorschriften zu nennen. Ein ganzer Berg an Zuschriften ist eingegangen. Bevor sie an die Land- und Bundestagsabgeordneten weitergeleitet werden, stellen wir heute eine Auswahl vor.

Dieter Briesch traute seinen Augen nicht, als erMitte Februar einen Brief der Kreisverwaltung Trier-Saarburgöffnete. Gegen ihn sei ein Verfahren eingeleitet worden, standda. Das Vergehen des Klüsserather Winzers: Er hatte einenTraubensaft mit dem Hinweis "ohne Konservierungsstoffe" versehen.Traubensaft dürfe aber generell keine Konservierungsstoffeenthalten, belehrte ihn die Behörde, Brieschs Etikettierung seideshalb nicht korrekt. Der Tipp der Behörden: "Zur neutralennicht irreführenden Information des Verbrauchers ist gegenüberder derzeitigen Auslobung der Hinweis ,Laut Gesetz ohneKonservierungsstoffe\\' möglich." Es lebe der Amtsschimmel. Wie Dieter Briesch geht es vielen TV -Lesern: Sie ärgern sich über Paragraphen, die sie für überflüssig halten. "Das so genannte Deutsche Wirtschaftswunder startete 1949 mit einem Gesetz von Ludwig Erhard, das 325 Gesetze und Verordnungen vernichtet hat", schreibt Wolfgang Langguth aus Traben-Trarbach und fordert, "dass auf einen Schlag wirklich aufgeräumt wird, was an unnötigen Gesetzen da ist." Hans-Leo Kimmer aus Nittel zitiert den römischen Gelehrten Tacitus: "Corruptissima re publica plurimae leges - Bei höchster Verdorbenheit der Republik gibt es die meisten Gesetze."

Ein Beispiel für eine überflüssige Vorschrift ist nach Ansicht vieler Leser die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer. Die Abschaffung dieser Pflicht fordern unter anderem Wolfgang Ferner und der Waldracher Rechtsanwalt Bohlen . Heftiger Widerstand regt sich auch gegen Bestimmungen für den Weinbau. Einige der Zuschriften: "Das Weingesetz muss durchforstet werden", schreibt Ewald Herges aus Zeltingen. Mengenregulierung und Prüfstellen etwa müssten gestrichen werden: "Sie sind ein Handelshemmnis erster Klasse." Ein anderer Leser fragt: "Warum gibt es die gesetzlich vorgeschriebene sensorische Weinprüfung? Alle anderen Lebens- und Genussmittel dürfen zweit- und drittklassig verkauft werden!"

Viele, viele Briefe, Faxe und Mails galten einer Vorschrift, nach der Heizungen und Kamine jährlich zu reinigen sind. "Warum muss der Schornsteinfeger alle zwölf Monate die Heizung prüfen?", fragt zum Beispiel Albert Fehr aus Ayl. "Autos werden nur alle zwei Jahre geprüft, dabei werfen sie bestimmt so viele Schadstoffe aus wie eine Heizung." Helmut Bartzen aus Mandern kritisiert: "31,84 Euro werden per Gesetz jedes Jahr zum Fenster rausgeworfen, da die Heizung vor jedem Winter von einer Firma gewartet wird. Die Kehrgebühren von 28,77 Euro sind ein Wucherpreis für zehn Minuten Arbeit." Und Norbert Mezel aus Bitburg meint: "Es ist eine Verhöhnung, dem Bürger bei der Reinigung vorzuführen, dass kaum eine Handvoll Rückstand zu Tage gefördert wird." Er fragt: "Wo ist der Landtags- beziehungsweise Bundestagsabgeordnete, der dieser Schornsteinfeger-Lobby widersteht?" Diese Frage gibt der TV weiter: Er überreicht die Leserzuschriften an alle Landtags- und Bundestagsabgeordneten der Region mit der Anregung, dafür zu sorgen, dass die Bemühungen der Leser, im Paragraphendschungel aufzuräumen, Früchte tragen - im Namen des Volkes.

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