"Zentrale Probleme bleiben unlösbar"

BERLIN. Die Konjunkturprognose der Wirtschaftsweisen macht wenig Hoffnung. Für den Finanzwissenschaftler Rolf Peffekoven von der Uni Mainz sind damit alle politischen Konjunkturträume ausgeträumt.

Herr Professor Peffekoven, die Korrektur bei der Wachstumsvorhersage klingt eher undramatisch. Was bedeutet Sie für unsere Volkswirtschaft? Peffekoven:Zunächst einmal ist das wirklich kein großer Unterschied. Plus minus 0,2 Prozentpunkte liegen eigentlich im üblichen Fehlerbereich von Prognosen. Wichtig ist die Botschaft: Wir können keineswegs mit einem Konjunkturaufschwung rechnen, wie das immer wieder von der Politik in Aussicht gestellt wurde. Das schwache Wachstum bedeutet, dass die zentralen Probleme Arbeitslosigkeit und zerrüttete Staatshaushalte vorerst unlösbar bleiben. Wie hoch müsste das Wachstum für eine Belebung am Arbeitsmarkt sein? Peffekoven: Wir haben es hier nicht nur mit einem konjunkturellen, sondern viel stärker mit einem strukturellen Problem zu tun. Als Faustregel gilt aber, dass wenigstens 1,5 bis zwei Prozent Wachstum erforderlich sind, um die so genannte Arbeitsmarktschwelle zu überwinden. Und das auch über einen längeren Zeitraum. Die Arbeitslosenzahlen werden also auch in den nächsten zwei bis drei Jahren über der Vier-Millionen-Marke liegen. Und der Bundesfinanzminister muss sich mit zusätzlichen Löchern im Haushalt herum schlagen?Peffekoven: Ein geringeres Wachstum führt zu einem stärkeren Defizit in den öffentlichen Haushalten. Dabei droht schon jetzt die Gefahr, dass für den Bundesetat in diesem Jahr etwa zehn Milliarden Euro mehr Kredite aufgenommen werden müssen als ursprünglich geplant. Allein die Bundesbankgewinne und die Einnahmen aus der Steueramnestie bleiben weit hinter den Erwartungen zurück. Die jüngste Konjunkturprognose ist dabei noch gar nicht eingerechnet. Die Wirtschaftsinstitute prognostizieren auch für 2005 eine Überschreitung der EU-Defizitgrenze von drei Prozent. Das wäre dann das vierte Jahr in Folge. Ist der europäische Stabilitätspakt damit endgültig tot?Peffekoven: Der Pakt war er schon beschädigt, als das Defizitverfahren gegen Frankreich und Deutschland im Vorjahr ausgesetzt wurde. Kein anderes Land wird sich jetzt mehr von den Sanktionen des Vertrages beeindrucken lassen. Viel entscheidender ist allerdings, dass eine erneute Erhöhung des Defizits weitere Zinsbelastungen für die öffentlichen Haushalte nach sich zieht. Damit wird die Flexibilität in den Haushalten noch mehr eingeschränkt, als sie ohnehin schon ist. Heute muss jeder fünfte Euro für Zinsen aufgebracht werden. Nun droht auch noch eine Zinserhöhung. Das nimmt den Haushalten jegliche Manövrierfähigkeit. Viele Ökonomen führen die Wirtschaftsflaute in Deutschland auf die magere Binnennachfrage zurück. Wie lässt sich der private Konsum ankurbeln?Pfeffekoven: Die Diagnose ist richtig. Die Forschungsinstitute hatten noch im letzten Jahr wegen der bevorstehenden Steuersenkungen eine beschleunigte Zunahme des privaten Verbrauchs vorhergesagt. Das hat sich in Luft aufgelöst. Die Probleme beim Konsum sind nach meiner Ansicht in erster Linie auf das fehlende Vertrauen in die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zurück zu führen. Das Interview führte unser Korrespondent Stefan Vetter.

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