Zoff um einen Doktorhut

HAMBURG. Russlands Präsident Wladimir Putin soll bei einem Deutschland-Besuch im September die Ehrendoktor-Würde der Universität Hamburg verliehen bekommen - wenn es nach dem Willen der Hansestadt geht. Die dortigen Hochschullehrer sind dagegen.

Die gute Laune gehört bei einem Treffen der Männerfreunde Gerhard Schröder und Wladimir Putin dazu. Das nächste Mal werden sich die beiden Staatsmänner am 9. und 10. September in Hamburg anlässlich der deutsch-russischen Konsultationen duzen undherzen. Allerdings könnte ihnen die Stimmung während der Begegnung ordentlich vermiest werden. Denn in der Hansestadt tobt ein heftiger Streit darüber, ob dem russischen Präsidenten die Ehrendoktorwürde der Universität verliehen werden soll oder nicht. Proteste während der Visite Putins sind schon jetzt gewiss. Hamburger Professoren machen Front gegen die geplante Verleihung. Bereits 58 Hochschullehrer hätten einen Aufruf gegen die Würdigung unterzeichnet, sagt Michael Greven, Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften und Initiator der Aktion. Putin soll die Ehrendoktorwürde vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften erhalten - unter anderem wegen seiner Bemühungen um die Einführung der Marktwirtschaft. Nach Auffassung der Kritiker hat sich der Präsident bisher aber weder durch herausragende wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet, noch genüge er den Maßstäben für eine Gesamtwürdigung. In dem Protestschreiben kritisieren die Professoren besonders den Krieg in Tschetschenien sowie die zunehmend autoritären Züge in Russland. Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen würden schikaniert. "Sein Tun und Wirken für Demokratie ist hochgradig umstritten", sagt der Kommunikationswissenschaftler und ehemalige Vorsitzende des Journalistenverbandes (DJV), Siegfried Weischenberg, einer der Unterzeichner. Allein angesichts der Unterdrückung der Presse in Russland "sträuben sich einem die Nackenhaare". Der Putin-Streit ist deshalb brisant, weil Hamburg seit fast 50 Jahren eine Städtepartnerschaft mit St. Petersburg unterhält. Dort wurde Russlands Staatschef 1952 geboren. Im April 2003 hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder dort den Ehrendoktortitel erhalten. Seit Bekanntwerden der geplanten Ehrung ist die Hochschulleitung jedoch in Erklärungsnot - die Universität setzt nun darauf, dass der Streit bis zum 10. September verebben wird. Danach sieht es allerdings nicht aus. DennRückendeckung erhalten die Professoren vom Allgemeinen Studierenden-Ausschuss (Asta) der Hochschule. Studentenvertreter und Menschenrechtsorganisationen planen zahlreiche Protestaktionen während des Besuchs. Hamburgs frühere Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und Henning Voscherau halten den Zoff um den Doktorhut hingegen für verfehlt und schädlich - der eine nennt ihn "unverständlich", der andere "dumm und ungeschickt". Die Bundesregierung will sich gleichwohl nicht in den Streit hineinziehen lassen: "Das ist alles eine Sache der Universität", kommentierte gestern ein Sprecher. Gernot Erler (SPD), Koordinator für die deutsch-russische Zusammenarbeit, bezeichnete aber gegenüber unserer Zeitung das Argument der Professoren als "dämlich", Putin habe zwischenzeitlich keine wissenschaftliche Leistung erbracht. Es gehe schließlich nicht um eine Promotion, sondern um eine Ehrendoktorwürde. Zwar gebe es berechtigte Fragen an den Präsidenten, aber er hoffe, "dass er so souverän ist, das Angebot anzunehmen".

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