Zu wenig zum Leben - Altersarmut nimmt zu

Trier · Auch in der Region gibt es Tausende Rentner, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Eine Studie zeigt auf, dass die Altersarmut in den kommenden Jahren zunehmen wird.

 2015 waren 20,8 Prozent aller Menschen im Alter von 55 und älter von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Foto: Stephanie Pilick

2015 waren 20,8 Prozent aller Menschen im Alter von 55 und älter von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Foto: Stephanie Pilick

Rund 3000 Rentner in der Region bekommen so wenig Rente, dass diese nicht zum Leben reicht. Sie erhalten zusätzlich eine staatliche Unterstützung, die sogenannte Grundsicherung, damit sie etwa Miete und Nebenkosten bezahlen können. In Trier kommen nach Angaben des Statistischen Landesamtes auf 1000 Rentner rund 60 Bezieher von Grundsicherung. Damit belegt die Stadt hinter Kaiserslautern einen Spitzenplatz in Rheinland-Pfalz. Eine Erklärung dafür liefert das Statistsche Landesamt nicht. Rund 22?000 Ältere im Land sind auf Grundsicherung angewiesen. Die Zahl könnte in den kommenden Jahren weiter wachsen, wie eine gestern vorgestellte Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

Jeder fünfte Neurentner wird demnach im Jahr 2036 von Altersarmut bedroht sein. Insgesamt bestünde, so die Ergebnisse der Studie, für jeden fünften dann 67-Jährigen das Risiko der Altersarmut. Besonders betroffen seien davon alleinstehende Frauen, Menschen ohne Berufsausbildung und Langzeitarbeitslose.

Ein Blick in die aktuellen Zahlen zeigt, dass bereits jetzt Frauen in der Region deutlich weniger Alterseinkünfte beziehen als Männer. Durchschnittlich 473,40 Euro bekommen Frauen nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz, bei Männern liegt die durchschnittliche Rentenhöhe in der Region bei 995,59 Euro. Dabei sind allerdings nicht die Renten berücksichtigt, die Grenzgänger aus Luxemburg erhalten. Rund 95?000 Altersrentner, die ihr Geld von der Deutschen Rentenversicherung beziehen, gibt es derzeit in der Region. Laut der Studie steige der Anteil der von Altersarmut betroffenen Frauen von heute 16,2 auf 27,8 Prozent im Jahr 2036 an.

Fest steht: Das Thema Rente und Altersarmut wird ein Mega-Thema im Bundestagswahlkampf. Die SPD hat in ihrem am Sonntag verabschiedeten Wahlprogramm ein milliardenschweres Konzept vorgelegt, nach dem das Rentenniveau bis 2030 auf dem heutigen Stand von mindestens 48 Prozent bleiben und der Beitragssatz bis 2030 bei 22 Prozent begrenzt werden sollen. Ferner plädiert die SPD für eine Solidarrente für Geringverdiener.

Die Union hat bislang keine Rentenreform für die kommenden Jahre in Aussicht gestellt. Das Wahlprogramm der CDU soll am Montag verabschiedet werden. "Wir haben keine Veranlassung, irgendwelche Dinge bis 2030 zu ändern", sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling (CDU). Prognosen über Altersarmut seien Spekulation. Allerdings gibt es in der Union Forderungen, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre zu erhöhen.

Die Linken wollen das Rentenniveau, das laut Prognosen bis 2030 auf 43 Prozent absinken könnte, auf 53 Prozent anheben und fordern eine solidarische Mindestrente von 1050 Euro. Ebenso wie die SPD verlangen die Grünen, dass das Rentenniveau von aktuell 48 Prozent nicht weiter fallen und der Beitrag nicht endlos steigen sollen. Wer sein Leben lang gearbeitet, Kinder erzogen oder andere gepflegt hat, soll eine Garantierente oberhalb des Grundsicherungsniveaus erhalten. Das Rentenkonzept der FDP sieht vor, dass ab 60 Jahren jeder selbst entscheiden soll, wann er in Rente geht, dafür aber Abschläge in Kauf nehmen müsse. Info: Zahl der Empfänger von Grundsicherung

In Trier haben Ende vergangenen Jahres 1123 Altersrentner zusätzlich noch Grundsicherung bezogen. In Trier-Saarburg waren es 498, in Bernkastel-Wittlich 581, im Eifelkreis 370 und in der Vulkaneifel 306 Rentner.

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Kommentar

 Zwar gibt es weniger Menschen, die eine Grundsicherung erhalten, doch eine Trendwende bei Altersarmut zeichnet sich nicht ab. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Zwar gibt es weniger Menschen, die eine Grundsicherung erhalten, doch eine Trendwende bei Altersarmut zeichnet sich nicht ab. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Weckruf für die Politik

Sachliche Debatte über Altersarmut nötig

Von Stefan Vetter

Armut im Alter ist heute eher eine gesellschaftliche Randerscheinung. Aber das kann sich in den nächsten Jahrzehnten ändern, wenn nicht wirksam gegengesteuert wird. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Sie wird in einer jetzt veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung noch einmal bestätigt. Zum Glück beteiligen sich die Forscher allerdings nicht an der weit verbreiteten Panikmache auf diesem sensiblen Feld. Das kann einer sachlichen Debatte nur gut tun.

Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr erhitzte eine vermeintliche Expertise die Gemüter, wonach ab 2030 fast jeder zweite Rentner arm sein wird. Sozialverbände, Gewerkschaften, aber auch prominente Politiker nahmen die "Erkenntnis" willig auf, um die allgemeine Verunsicherung noch zu verstärken. Dabei fußte der Befund auf völlig unseriösen Annahmen. Die Bertelsmann-Stiftung hat das jetzt gewissermaßen noch einmal bestätigt. Wenn laut ihrer Prognose etwa jeder fünfte Neurentner zur Mitte des übernächsten Jahrzehnts nur noch schwerlich über die Runden kommt, dann kann das allerdings auch kein Ruhekissen für die Politik sein.

Was also ist zu tun? Zunächst einmal nicht unbedingt das, worauf sich manche Parteien im Bundestagswahlkampf konzen trieren, nämlich auf die sehr teure Beibehaltung oder gar noch teurere Anhebung des Rentenniveaus. Wer immer wenig verdient hat, oder länger arbeitslos war, dem nützen solche Maßnahmen praktisch kaum. Dafür profitieren Rentner mit ohnehin schon gutem Auskommen umso stärker. Das ist weder gerecht noch im Sinne der Armutsbekämpfung. Stattdessen muss sich Rentenpolitik auf die wirklich gefährdeten Bevölkerungsgruppen konzen trieren. Auf kleine Selbstständige zum Beispiel, die bislang nirgendwo fürs Alter versichert sind. Oder auf alleinstehende Frauen mit niedrigen Löhnen. Ein nachdenkenswerter Ansatz ist hier die schon unter der früheren CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen entwickelte, aber nicht umgesetzte Lebensleistungsrente. Bei der SPD heißt sie Solidarrente. Ihre Grundanliegen sind identisch: Wer lange gearbeitet hat, der muss am Ende spürbar über der Grundsicherung im Alter, also Hartz IV, liegen. Sonst verliert auch das gesetzliche Rentensystem seine Legitimation.

Noch eine weitere Nachricht sorgte am Montag für Aufmerksamkeit: Demnach fuhr die Rentenkasse 2016 ein Minus von 2,2 Milliarden Euro ein. Das ist für sich genommen noch kein Problem. Denn die Rentenversicherung verfügt derzeit über Rücklagen von mehr als 30 Milliarden Euro. Aber der Trend ist klar: In einer alternden Gesellschaft werden sich die Rentenausgaben zwangsläufig weiter erhöhen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Geld der Beitragszahler schließt daher auch maßgeschneiderte Lösungen für bestimmte Risikogruppen im Alter ein. Auf diese Aufgabe muss sich eine neue Bundesregierung viel stärker konzentrieren als die alte.

nachrichten.red@volksfreund.de

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