Zwei Tage bis zu einem neuen Papst

TRIER. Wer wird Nachfolger von Johannes Paul II.? Wohl keine andere Frage wird in den nächsten Tagen weltweit mehr diskutiert werden. So lange, bis im Vatikan weißer Rauch aufsteigt. Das wird noch in dieser Woche der Fall sein, glaubt zumindest die Journalistin und Buchautorin Christa Kramer von Reisswitz.

Bei den Buchmachern ist der deutsche Kardinal Ratzinger Favorit für die Papst-Nachfolge. Wen sehen Sie vorn? Von Reisswitz: Im Moment wissen natürlich auch wir Vatikan-Experten nicht, wer der neue Papst wird. Ratzinger ist der große Papst-Wähler, der "deus ex machina" (Anm: lat. "Gott aus der Maschine"; Person, die in einer Notsituation auftritt und die Lösung bringt) für einen anderen Kandidaten. Der kommt womöglich erst ins Spiel, wenn die beiden Italiener mit den größten Chancen einander ausgeschlossen haben. Wen haben Sie da im Auge? Von Reisswitz: Neben Ratzinger ist der große andere Papst-Wähler der Mailänder Erzbischof, Kardinal Carlo Martini. Ich glaube zwar nicht, dass der Jesuit und Bibelwissenschaftler selbst Papst werden kann, weil er einfach zu krank ist. Aber Ratzinger und Martini sind die beiden großen Köpfe innerhalb des Kardinalskollegiums, denen man zutraut, die Kirche zu leiten. Es gibt unter den Kardinälen zwei Blöcke: einen konservativen und einen eher liberalen Von Reisswitz: Die konservativen Kräfte werden sich natürlich um Kardinal Ratzinger bewegen. Ich glaube trotzdem nicht, dass er der nächste Papst wird, auch wenn er das Rüstzeug dazu hat. von Reisswitz: Die Organisation ist vor allem in Lateinamerika und in Spanien verbreitet. Zwei Kardinäle gehören offiziell zu "Opus Dei": der Erzbischof von Lima, Juan Luis Cipriani Thorne, und der spanische Kurienkardinal Julian Herranz Casado. Haben Sie einen persönlichen Favoriten? Von Reisswitz: Ich hoffe auf einen Papst aus Lateinamerika, sollte es weder Ratzinger noch Martini werden. Dort gibt es die meisten Katholiken. Mein Favorit wäre der Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, auch wenn der Jesuit nicht gut italienisch spricht und die Medien nicht leiden kann. Oder der Erzbischof von Sao Paulo, Claudio Hummes. Was glauben Sie: Nach dem wie vielten Wahlgang steigt im Vatikan weißer Rauch auf? Von Reisswitz: Ich hoffe, dass der weiße Rauch in Rekordzeit aufsteigen wird. Ist der Rauch schwarz, deutet dies auf Uneinigkeit hin. Und Uneinigkeit ist immer ein schlechtes Zeichen für die Kirche. Ich tippe daher auf Mittwoch. Was sollte den neuen Papst von seinem Vorgänger unterscheiden? Von Reisswitz: Ein neuer Papst wird sich mehr um die inneren Angelegenheiten der Kirche kümmern müssen, die sein Vorgänger Johannes Paul II. doch eher in den Hintergrund geschoben hat. Ich hätte gerne einen neuen Papst in der Art von Pius XII., der distanziert ist und sich nicht anfassen lässt. Der streng ist und nicht versucht, Johannes Paul II. zu imitieren; und dem egal ist, ob ihm die Massen zujubeln oder nicht. Und ein neuer Papst sollte auch dafür sorgen, dass die Katholiken in Europa wieder den Mut haben, zu ihrem Glauben zu stehen. Wie bewerten Sie als Frau das "Männer-Konklave"? Von Reisswitz: In Rom blickt man nicht auf die alten Männer, sondern auf die Weltkirche. Die Kirche ist Universalkirche, da können die Deutschen sich einfach nicht dran gewöhnen. Die Deutschen machen Bauchnabelschau, denken, die Kirche gibt’s nur in Deutschland. Der alte Papst ist kaum begraben, da fordern erste Stimmen schon seine Selig- und Heiligsprechung Von Reisswitz: Das hat Zeit. Ich nehme an, dass erst in fünf Jahren ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet werden kann. Ich halte es für unsinnig, jetzt per Akklamation den verstorbenen Papst heilig zu sprechen. Das Interview führte TV-Redakteur Rolf Seydewitz.

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