Zwei Züge rasen aufeinander zu

BERLIN. (has) Nach dem Treffen war gestern vor dem Treffen. Als sich in der fünften Etage des Willy-Brandt-Hauses am Abend die Türen des Sitzungssaals öffneten, sah man schon, dass Gewerkschaften und SPD kaum zur alten Herzlichkeit zurückgefunden hatten.

Auch wenn Gerhard Schröder und DGB-Chef Michael Sommer nachihrem Treffen am Dienstagabend gute Miene zum bösen Spielmachten, der Riss zwischen ihnen mit Blick auf das Reformpaketdes Kanzlers ist derzeit tief. "Wir sind uns in der Diskussionnicht näher gekommen", so Sommers Resümee. Und der Kanzlermeinte, das man sich bei den Zielen zwar einig sei. Bei denInstrumenten gebe es aber ganz klare Unterschiede. Seit Kanzler Gerhard Schröder seine Reformpläne vorgestellt hat, trennen beide Seiten Welten.

"Erst geben die Gewerkschaften neun Millionen Mark aus, damit die Regierung wieder gewählt wird. Jetzt fünf Millionen Mark, um die Sozialreformen zu verhindern", spottet Volker Kauder, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Zwei artverwandte Züge rollen in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik aufeinander zu, die nicht wissen, wie sie stoppen sollen. Für die unterschiedlichen Positionen bietet sich noch kein zufrieden stellender Kompromiss an. Auch das alte politische Köderprinzip "eine Hand wäscht die andere" zieht mangels inhaltlicher Angebotsmasse seitens der Koalition nicht. Dafür ist der Streit wohl auch zu elementar. Die Vehemenz, mit der die jetzige Auseinandersetzung über die Reformpläne des Kanzlers geführt wird, und die Deutlichkeit, mit der die Gewerkschafter Gerhard Schröder in den Rücken fallen, ist auffällig. Sonst sind sie sich untereinander nicht sonderlich grün, die Herren Zwickel, Bsirske, Wiesehügel oder Schmoldt. Schon gar nicht wollen sie, dass der DGB-Vorsitzende Michael Sommer den Takt vorgibt. Jetzt ziehen alle vereint zu Felde, weil es eben irgendwie auch um die Daseinsberechtigung ihrer Organisationen geht. Gegen einen SPD-Vorsitzenden, der sich wieder als Reformkanzler präsentiert und deswegen nicht einknicken will: "Die Gewerkschaften sind nicht unsere Vorfeldorganisation und wir nicht ihr verlängerter Arm", schießt Schröder zurück.

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