Zwei seidene Fäden

Washington. Der Kriegsbeginn scheint unmittelbar bevorzustehen. Damit rücken jene heiklen Ziele ins Rampenlicht, die US-Präsident George W. Bush klar definiert hat: Den Irak von einem Tyrannen befreien. Und die seiner Ansicht nach vorhandenen Massen-Vernichtungswaffen finden und unschädlich machen.

Aus Präsident George W. Bushs Zielen, Saddam Hussein sowie verbotene Waffen aufzuspüren, ergeben sich auch die Parameter, an denen letztlich ein Erfolg der weltweit heftig umstrittenen Militäraktion abzulesen sein wird. Die irakischen Militärs in die Knie zu zwingen, gilt dabei nur als halber Sieg. Denn die Erwartungen in den USA sind hoch: Während man sich mit der bisher erfolglosen Fahndung nach Osama Bin Laden in der amerikanischen Öffentlichkeit weitgehend abgefunden zu haben scheint, wird Bush - um Kritiker verstummen zu lassen - spätestens zum Ende des Irak-Feldzugs Saddam Hussein präsentieren müssen: tot oder lebendig. Alles andere, wie beispielsweise ein Verschwinden des Despoten in den Untergrund oder gar die Flucht Saddams und seiner Söhne nach Kriegsbeginn in ein mit dem Irak sympathisierendes Land wie Syrien wäre für den US-Präsidenten, das räumen Berater ein, wenig vorteilhaft. "Falls Saddam ohne neue Adresse untertaucht und nicht zu fassen ist, würde das für uns eine politische Katastrophe sein. Es würde latente Unsicherheit für eine neue Regierung in Bagdad bedeuten", heißt es in Regierungskreisen. Aus diesem Grund lauten die Einsatzanweisungen der US-Stabschefs an jene Sondereinheiten, die ausschließlich mit dem Festsetzen des Diktators und seiner Familie beauftragt worden sind, auch: keine Chance zur Flucht geben. Als eins der ersten Ziele in Bagdad soll der Flughafen eingenommen werden. Fast zeitgleich wird es Aktionen gegen die bekannten Paläste Saddams geben. "Wenn er sich nicht sofort ergibt, wird er erschossen", gab kürzlich ein Offizier einer Fallschirmjäger-Eliteeinheit die Marschroute wieder. Politische Erwägungen sollen dabei - angeblich - keine Rolle spielen, den Soldaten bleibe je nach Brisanz der Lage die Entscheidung vorbehalten. Doch aus dem Weißen Haus hat man, wann immer die Sprache auf dieses Thema kam, durchklingen lassen, dass eine Festnahme und eine anschließende Aburteilung einer Tötung vorzuziehen sei, weil sonst die Gefahr bestehe, dass der Despot zum Märtyrer für die arabische Welt werde. Angesichts der Tatsache, dass Saddam Hussein über einen modernen, von europäischen Firmen installierten Bunker unter einem seiner Paläste verfügt, könnte eine Verhaftung jedoch für US-Soldaten zu riskant sein - und deshalb am Ende doch den Einsatz bunkerbrechender schwerer Bomben erfordern, die sich metertief in die Erde fressen können. Nachteil hierbei: Wenn nach einer gewaltigen Explosion keine sterblichen Überreste des Gesuchten aufzufinden sind, würde auch dies eine Legendenbildung fördern, die Washington nicht recht sein kann. Waffensuche ein Wettlauf mit der Zeit

Angesichts der Annahme, dass ein Sturz Saddams durch die eigene Bevölkerung unwahrscheinlich ist, sehen Militärexperten wie der frühere US-General Perry Smith deshalb einen Arrest und ein internationales Tribunal als beste Lösung an. Vor einer weiteren Herausforderung stehen die USA bei der Fahndung nach den vermuteten chemischen und biologischen Waffen. Die nun arbeitslos gewordenen Waffeninspektoren klagten zuletzt immer wieder darüber, dass die US-Geheimdienst-Informationen unzureichend oder unpräzise gewesen seien. Dies kann aber auch, so nehmen es politische Beobachter an, Methode gewesen sein. "Wenn wir von vornherein alle unsere Karten auf den Tisch legen, weiß der Irak, was wir wissen. Und hat ausreichend Zeit, neue Verstecke zu organisieren", lautete die Befürchtung in CIA-Kreisen. Nun, mit Kriegsbeginn, dürfte es für die US-Truppen ein Wettlauf mit der Zeit werden, um verdächtige Lagerstätten aufzuspüren, bevor Granaten mit biologischen und chemischen Kampfstoffen fortgeschafft oder - im schlimmsten Fall - gegen die Soldaten der "Koalition der Willigen" eingesetzt werden.

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