Zwischen Terror-Angst und Öl-Krise

Was kommt auf uns zu? – Sechs Fragen und Antworten zum Irak-Krieg

Müssen wir Angst haben, dass im Falle eines Irak-Kriegs Anschläge mit biologischen Kampfstoffen wie Pocken-Viren auch Deutschland treffen könnten?

Das Risiko, dass es solche Anschläge auch bei uns geben könnte, ist nicht wegzudiskutieren. Bundes-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat im November vergangenen Jahres eingeräumt, „es sei davon auszugehen, dass Staaten wie Nordkorea oder Irak über Pocken-Virenstämme verfügten“, weshalb es eine potenzielle Bedrohung gebe. Ein Angriff auf den Irak würde den Hass islamischer Extremisten auf die westliche Welt weiter schüren und damit die Wahrscheinlichkeit von Anschlägen erhöhen. Derzeit wird für den Ernstfall geplant: Die Bundesregierung wird im Laufe dieses Jahres 100 Millionen Dosen Pocken-Impfstoff einlagen. Sollte es zu einem Anschlag kommen, werden flächendeckend Impfstellen eingerichtet. Für Rheinland-Pfalz sind 160 Punkte geplant, an denen innerhalb von fünf Tagen sämtliche Bürger des Landes geimpft werden könnten. Seit Ende 2002 werden rheinland-pfälzische Ärzte mit Pockenschutzimpfungen vertraut gemacht. Vorbeugende, flächendeckende Pocken-Impfungen soll es wegen starker Nebenwirkungen nicht geben.

Wie groß ist die Gefahr von Selbstmord-Attentaten islamistischer Extremisten bei einem Angriff auf den Irak? Ist solcher Terror auch bei uns vorstellbar?

Bisher ist zwar nicht erwiesen, dass der Irak und das Terror-Netzwerk El Kaida, das für die Anschläge vom 11. September 2001 verantwortlich ist, unter einer Decke stecken. Allerdings steht außer Frage, dass sich bei einem westlichen Angriff auf den Irak ein Großteil der arabischen Welt als Opfer einer imperialistischen Aggression fühlen wird. Das dürfte die Bereitschaft zu Selbstmordanschlägen erhöhen. Der Irak hat bereits angekündigt, im Fall einer US-Invasion „Tausende von Selbstmord-Attentätern“ einzsuetzen. Sein Land habe weder Massenvernichtungswaffen noch Langstrek-kenraketen, sagte Iraks Vizepräsident Taha Jassin Ramadan kürzlich dem „Spiegel“. „Die Selbstmord-Märtyrer sind unsere neuen Waffen, und die werden nicht nur im Irak zum Einsatz kommen.“ Wie groß die Terror-Gefahr in Deutschland ist, lässt sich schwer abschätzen. Einerseits hat sich die Bundesregierung strikt gegen einen Irak-Krieg ausgesprochen. Andererseits gilt die Budnesrepublik nichtsdestotrotz als Verbündete der USA. Besonders gefährdet dürften die mehr als 90 US-Einrichtungen im Land – darunter auch die Airbase in Spangdahlem – sein.

Angenommen, der Irak-Krieg kommt: Werden dann auch Soldaten der Bundeswehr an den Golf müssen?

Die Bundesregierung lehnt bisher jede Beteiligung Deutschlands an einem Irak-Krieg ab. Völlig außen vor bleibt das deutsche Militär im Falle eines Falles allerdings kaum: Derzeit sind 59 ABC-Abwehrkräfte der Bundeswehr in Kuwait stationiert, und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan zufolge können sie im Kriegsfall nicht „allein“ gelassen werden. 200 dieser Spezialkräfte stehen in Bereitschaft und können innerhalb von fünf Tagen in Kuwait sein. Die deutschen Spezialisten könnten Verteidigungsminister Struck (SPD) zufolge im Kriegsfall eingesetzt werden, „wenn kuwaitische oder amerikanische Einrichtungen bedoht werden“. Auch auf Nato-Ebene ist ein Engagement Deutschlands – etwa zum Schutz des Mitgliedslandes Türkei – nicht ganz ausgeschlossen. Zwar gibt es in der rot-grünen Koalition Widerstände gegen beispielsweise eine Lieferung von Patriot-Luftabwehrraketen in die Türkei, doch die Regierung laviert zwischen Nichtbeteiligung an einem Krieg und Erfüllung von Bündnis-Verpflichtungen hin und her. Am heutigen Donnerstag steht eine Sitzung des Nato-Rates an, in der es erneut um Möglichkeiten der Verbündeten zur Unterstützung der USA im Fall eines Irak-Kriegs geht.

Welche Folgen hätte ein neuer Golfkrieg für den Ölpreis? Stimmt es, dass er enorm steigen und sich damit auch beispielsweise Heizöl oder Benzin deutlich verteuern würden?

Die Ölpreise sind angesichts der Kriegsgefahr am Golf bereits in den vergangenen Monaten deutlich angezogen – allerdings spielte dabei auch der Generalstreik in Venezuela eine gewisse Rolle. Der Irak hat mit 112 Milliarden Barrel (Barrel ist das englische Wort für Fass und bezeichnet eine Menge von 159 Litern Öl) die zweitgrößten Reserven der Welt nach Saudi-Arabien. Einige Fachleute gehen davon aus, dass unter der irakischen Wüste weitere 220 Millionen Barrel Öl auf ihre Entdeckung warten. US-Experten rechnen nach Angaben des Magazins „Stern“ damit, dass der Ölpreis bei einem Krieg am Golf von derzeit rund 30 Dollar je Barrel auf mehr als 50 Dollar steigen würde. Der französische Wirtschafts- und Finanzminsiter Francis Mer hat dieser Tage die Europäische Union auf die Gefahr einer Preisexplosion beim Rohöl hingewiesen und sie aufgefordert, sich auf eine solche Entwicklung einzustellen. Mer forderte, das Thema beim nächsten Treffen der EU-Finanzminster und der Eurogruppe, die sich aus Mitgliedern der Euro-Länder zusammensetzt, am 17. und 18. Februar auf die Tagesordnung zu setzen. Es müsse darüber beraten werden, wie die Folgen eines massiven Ölpreis-Anstiegs kurzfristig aufgefangen werden könnten. Eine Explosion der Energiekosten würde in den Industrieländern das Wachstum hemmen und viele Arbeitsplätze gefährden. Als die EU-Kommission die derzeit gültige Konjunkturprognose von 1,8 Prozent Wachstum abgab, legte sie einen durchschnittlichen Ölpreis von 25,2 Dollar pro Barrel zugrunde. EU-Währungskommissar Pedro Solbes zufolge würde ein durchschnittlicher Rohölpreis von 35 Dollar das Wachstum um 0,2 Prozent senken.

Wohin kann man noch in Urlaub fahren, wenn die USA und ihre Verbündeten den Irak angreifen? Oder sollte man in diesem Fall besser ganz Zuhause bleiben?

Auch an der Reisebranche geht die Kriegsgefahr nicht spurlos vorüber: „Für alle Fälle“ würden Szenarien und entsprechende Reaktionen entwickelt“, sagte ein Lufthansa-Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Die Veranstalter planen offenbar, wenn's brenzlig wird, ihre Kunden vom östlichen Mittelmeer – etwa aus Ägypten oder der Türkei – in westliche Sphären umzuquartieren. In Spanien oder auf den Kanarischen Inseln zum Beispiel stünden ausreichend Kapazitäten zur Verfügung, heißt es. Bei Tui steht AFP zufolge ein Krisen-Team von 200 Mitarbeitern bereit, um „im dramatischsten Fall“ ein ganzes Urlauberland zu evakuieren. Wer lieber auf solche Abenteuer verzichtet, sollte sein Ferienziel entsprechend wählen. Die meisten Urlaubsegionen würde ein Golfkrieg nur am Rande treffen – etwa durch den höheren Ölpreis, der sich auch bei den Flugkosten niederschlagen könnte, oder durch eine Umlegung von Flugrouten. Wer beispielsweise nach Thailand oder Sri Lanka reist, muss AFP zufolge im Kriegsfall eine halbe Stunde länger im Flugzeug sitzen, weil die Airlines die Konfliktregion umfliegen.

Welche Auswirkungen hätte ein Krieg am Golf auf die Weltwirtschaft? Würde er die ohnehin schwierige ökonomische Situation weiter verschärfen?

Die negativen Folgen des steigenden Ölpreises würden zwar zum Teil vom gestiegenen Kurs des Euro gegenüber dem Dollar ausgeglichen. Doch US-Experten gehen dem „Stern“ zufolge davon aus, dass sechs Wochen Krieg die Konjunktur kaum beieinflussen. Dauere die Auseinandersetzung dagegen drei Monate, drohe Amerika eine Stagnation, in der Euro-Zone werde das Wachstum halbiert. Drei bis sechs Monate Krieg führten danach zu einer weltweiten Rezession bis Ende 2004. Allerdings gibt es – vor allem unter den US-„Falken“ – auch Stimmen, denen zufolge ein schneller Sieg die Konjunktur stimulieren würde.

Inge Kreutz

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