Zwischen den Blöcken

BERLIN. Die CDU-Vorsitzende hätte als Chefin einer Großen Koalition an vielen Fronten zu kämpfen. Als Kanzlerin müsste Angela Merkel vor allem zwischen den Blöcken vermitteln.

Norbert Röttgen, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion und ein enger Vertrauter seiner Vorsitzenden, gerät regelmäßig ins Schwärmen, wenn er an Angela Merkel als Bundeskanzlerin denkt: "Wir brauchen so viel Führungskraft wie lange nicht mehr, ein außergewöhnliches Maß an Beherrschtheit, an Klarheit, an Entschlossenheit. Angela Merkel ist dafür geradezu prädestiniert", lobhudelt Röttgen. Kurzum: Eine große Koalition braucht eine starke Kanzlerin. Braucht sie das aber wirklich? Und könnte Angela Merkel diese Rolle überhaupt ausfüllen? Fragezeichen sind erlaubt. Ein Blick in die Geschichte sagt etwas anderes: Eine große Koalition benötigt eher einen Moderator als einen bestimmenden, autoritären Kanzler. Denn zwei überaus starke Macht- und Fraktionsblöcke sitzen an einem Tisch, es ist die pure Konzentration der Kräfte. Und keiner will freiwillig den klassischen, zurücksteckenden Juniorpartner geben, weil große Koalitionen nur als Übergangslösungen bis zur nächsten Wahl gelten. Kurt-Georg Kiesinger (CDU) war der Regierungschef, der von 1966 bis 1969 die bisher einzige Koalition aus Union und SPD anführte. Kiesinger galt als "schwacher Kanzler", was mit seiner Persönlichkeit zu tun hatte, was aber auch aus dem Umstand heraus resultierte, dass er weniger die Richtung vorgab, sondern als "wandelnder Vermittlungsausschuss" zwischen den Blöcken agieren wollte - und musste. Für eine Kanzlerin Angela Merkel wird allein schon diese Scharnierfunktion überaus schwierig zu erfüllen sein. Anders als CSU-Chef Edmund Stoiber hat Merkel keine guten Kontakte in die SPD-Führung hinein. Ein Manko, denn viele Entscheidungen wird eine hochkarätig besetzte, schwarz-rote Koalitionsrunde auskungeln. Da muss auch die Chemie stimmen. Von jetzt auf gleich werden überdies viele Genossen in der SPD-Fraktion ihre tiefe Abneigung gegenüber der Ostdeutschen nicht ablegen. Plötzlich soll Merkel also nicht mehr "inakzeptabel", "unfähig" und "sozial kalt" sein? Gerade noch argumentierte man vehement und raffiniert für Gerhard Schröders Führungsanspruch, nun soll man ihn einfach an Merkel abtreten? Es sind heftige rote Bauchmerzen, die so schnell nicht verfliegen werden - und die der Kandidatin bereits bei der Wahl zur Kanzlerin Stimmen kosten dürften. Macht schweißt eben nicht unbedingt zusammen. Die CDU-Kanzlerin müsste sich daher permanent fragen, wie verlässlich ihr Koalitionspartner SPD eigentlich ist. Zumal sich die Genossen für die Zeit nach Schröder neu zu formieren haben. Schon jetzt drohen der Partei heftige Flügelkämpfe und womöglich weitere, aufreibende Verluste an die Linkspartei, wenn es zur Ehe mit den Konservativen kommt. Das könnte die Zusammenarbeit von Schwarz-Rot zu einem ständigen Kampf machen.

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