...bis der Spuk beendet ist

GONZERATH. Eine Region macht mobil gegen die rechtsextreme NPD: Mehr als 2000 Menschen haben am Samstag friedlich gegen das NPD-Schulungszentrum im Hunsrück-Ort Gonzerath (Kreis Bernkastel-Wittlich) demonstriert. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, ernste Zwischenfälle gab es keine.

Das Bild spricht Bände: Vor der einem Privatmann gehörenden alten Gonzerather Schule stehen die beiden NPD-Landesvorsitzenden Peter Marx (Rheinland-Pfalz) und Frank Franz (Saarland) neben zwei kahlrasierten Männern, während auf der anderen Straßenseite mehr als 2000 Demonstranten mit "Nazis raus"-Rufen deutlich machen, was sie von ihren Gegenübern halten. Der für die Protestkundgebung gegen die NPD-Kaderschmiede ausgewählte Parkplatz platzt aus allen Nähten. Mit mehreren hundert Teilnehmern hatten die Organisatoren der Demonstration gerechnet, jetzt sind 2000 Menschen da, schätzt Polizeisprecherin Monika Peters, und immer noch kommen Grüppchen über die Bundesstraße 269 zu Fuß in den Ort. Seit dem frühen Samstagmorgen ist die 1200-Einwohner-Hunsrückgemeinde so gut wie abgeriegelt, kommt nur noch ins Dorf, wer zwei Kontrollen passiert hat. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort, mindestens 200 Beamte - die genaue Zahl wird wie ein Staatsgeheimnis gehütet - haben in und um Gonzerath Position bezogen.

In der nur wenige hundert Meter vom Parkplatz entfernten Gemeindehalle machen sich derweil die Mitglieder einer Hundertschaft einsatzbereit: Schwere Schutzanzüge werden angelegt, um für den Fall einer Auseinandersetzung gerüstet zu sein. Stunden später können die jungen Frauen und Männer alles wieder ablegen: "Einsatz beendet", heißt es am frühen Samstagabend, "keine besonderen Vorkommnisse." Es ist ein beeindruckender Demonstrationszug, der sich gegen 13 Uhr von einem Lebensmittelgeschäft in der Ortsmitte aufmacht in Richtung alte Schule.

Und es ist ein bewusst gesetztes Zeichen der Gonzerather Bevölkerung, die - neben der regionalen Polit-Prominenz - vorneweg geht: Das ganze Dorf, alle Vereine und politischen Gruppierungen sind gegen die Anwesenheit der Rechtsextremen. "Gonzerath sagt Nein zu NPD und Schulungszentrum" steht denn auch auf dem großflächigen Transparent, das die Demonstranten in der ersten Reihe halten. Andere Protestierer haben ihren Unmut drastischer formuliert: "Der Hunsrück scheißt auf Nazi-Pack", steht auf einem weiteren Plakat.

Die Handvoll Adressaten in der Gonzerather Schule hält dagegen. Die Rechtsextremen haben die Deutschland-Flagge aus den oberen Fenstern gehängt, darunter NPD-Plakate mit Aufschriften wie "Deutscher Wein statt Ami-Fusel" oder "Null Toleranz".

Jetzt steht das Grüppchen NPD-Funktionäre auf der Wiese vor der Schule und beobachtet das Treiben auf dem gegenüberliegenden Parkplatz. "Das stört uns überhaupt nicht", gibt sich NPD-Landeschef Peter Marx selbstbewusst, während sein glatzköpfiger Vorstandskollege Christian Hehl, ein vorbestrafter Neonazi, hämisch grinst, als ein aus der Demonstrantenmenge geworfenes rohes Ei ihn knapp verfehlt: "Jetzt bin ich schon so breit, und ihr trefft nicht", ruft der schwergewichtige Hehl den Protestierern zu.

Von der für diesen Tag angekündigten offiziellen Eröffnung des NPD-Schulungszentrums ist keine Rede mehr. Die sei in den Mai verschoben worden, sagt Peter Marx - "aus Sicherheitsgründen". Da muss selbst die ansonsten eher zurückhaltende Polizeisprecherin grinsen: "Sicherer als heute, das geht doch gar nicht mehr", sagt Monika Peters angesichts des Großaufgebots an Polizisten ringsherum.

Die Protestkundgebung auf dem Parkplatz ist bereits eine Dreiviertelstunde in Gang, als die immer noch vor der heruntergekommenen Schule stehenden Rechtsextremen plötzlich wie aufgeschreckte Hühner umherlaufen. Sechs Kriminalbeamte sind über den Zaun geklettert und halten NPD-Chef Marx und seinem Vize Sascha Wagner einen richterlichen Beschluss unter die Nase. Die von den Rechtsextremen zuvor gemachten Filme und Fotos werden beschlagnahmt. Damit soll verhindert werden, dass auf einschlägigen Internetseiten Portraitbilder von Demonstranten veröffentlicht werden, ohne dass die Betroffenen davon etwas wissen, heißt es zur Begründung.

Der Überraschungscoup der Polizei zeigt Wirkung: Von den NPDlern lässt sich anschließend draußen niemand mehr blicken. Auf dem Parkplatz spricht derweil als einer der letzten Redner der Trierer DGB-Chef Karl-Heinz Päulgen. "Wir wollen den Ewiggestrigen zeigen, dass wir keine Nazis wollen", sagt der Gewerkschafter. "Und wir kommen so lange wieder, bis der Spuk beendet ist." Nicht nur die Gonzerather hoffen, dass bis dahin nicht mehr allzu viel Zeit vergeht.

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