Achtung, Einbrecher!

Trier/Mainz · Die Einbrüche nehmen in Rheinland-Pfalz zu, die Aufklärung verharrt auf einem niedrigen Niveau. Diese Entwicklung schmeckt dem Landeskriminalamt nicht. Dessen Leiter führt den Trend auf gefährliche Banden zurück. Wie reagiert das Land, wie die Polizei?

Trier/Mainz. Selten machen Verbrecher es der Polizei so einfach wie ein 18-Jähriger vor wenigen Tagen in Trier. Der Mann jagte beim Smartphone-Spiel "Pokémon Go" virtuelle Monster, ehe ihn Beamte am Bahnhof stoppten. Schnell fanden sie heraus, dass sie einen flüchtenden Straftäter vor sich hatten. Der Weg des Mannes endete im Gefängnis.
Viele Einbrecher landen nicht dort. Johannes Kunz, Leiter des Landeskriminalamtes (LKA), beklagt das. Oft genug erleben es die Polizisten in Rheinland-Pfalz, dass Täter in Häuser, Wohnungen und Läden eindringen. Sie stehlen Tablets, Schmuck, Bargeld - und entkommen. Gerade einmal 15,3 Prozent aller Wohnungseinbrüche wurden 2015 im Land aufgedeckt - nicht mal bei jedem sechsten Fall kommen die Täter ans Licht. Die Zahl der Einbrüche im Land ist dagegen von 2006 bis 2015 rasant gestiegen (siehe Grafik). "Das ist nicht zufriedenstellend", sagt Kunz. Den steilen Anstieg führt der LKA-Chef auf die Bandenkriminalität zurück. "Früher war der klassische Einbruch der, bei dem jemand aus dem Ort in ein Haus eingedrungen ist", sagt Kunz und stöhnt. "Mittlerweile sieht das anders aus." Inzwischen ist Einbrechen ein globales Geschäftsmodell. Eines, das keine Uhrzeiten kennt, milliardenschweren Schaden bewirkt - und von Einbrüchen traumatisierte Opfer hinterlässt.
Viele Banden kommen aus dem osteuropäischen Raum und gehen arbeitsteilig vor, sagt Kunz. Späher beobachten Häuser, Hintermänner stellen Wohnungen bereit, kümmern sich um den Transport, Diebe knacken die Schlösser, räumen möglichst viel leer, wieder andere verfrachten die Ware und verhökern sie anschließend. Die Kriminalexperten gehen davon aus, dass es Strippenzieher gibt, die Diebe gezielt in den Westen schicken oder die Einbrüche von Deutschland aus steuern (siehe Extra). Kummer bereitet Johannes Kunz momentan besonders die Zunahme georgischer Einbrecherbanden in Rheinland-Pfalz. Dem LKAChef zufolge gab es im vergangenen Jahr 539 georgische Tatverdächtige, die an Einbrüchen beteiligt waren. 2012 waren es 101 gewesen. Bis Ende Mai 2016 ermittelte das LKA 323 Georgier, die mit 808 Straftaten in Rheinland-Pfalz in Verbindung gebracht werden. In den meisten Fällen waren es Diebstähle.
Kunz nennt das niedrige Lohnniveau in Georgien als Grund für die Diebeszüge in Deutschland. Bei Kontrollen in der Hauptstadt Tiflis haben Behörden Waren gefunden, die Einbrüchen in Rheinland-Pfalz zugeordnet werden konnten, berichtet der LKA-Leiter. Die Banden seien "ein massives Problem".
Harte Worte findet das Bundeskriminalamt (BKA): Georgische Tatverdächtige seien überwiegend als Asylbewerber registriert, heißt es auf TV-Anfrage. Und: Man könne daraus schließen, dass georgische Täter die Zeit des Genehmigungsverfahrens nutzten, um Straftaten zu begehen.
Lothar Schömann, Leiter des Polizeipräsidiums in Trier, warnt vor einer Vorverurteilung. Die Trierer bekämpfen die Banden mittels ihrer speziellen Ermittlergruppe. Die Quote der aufgeklärten Einbrüche liege bei mehr als 20 Prozent, sagt Schömann. Das ist deutlich über dem Landesdurchschnitt. Johannes Kunz hofft, dass auch die anderen Polizeipräsidien in Rheinland-Pfalz mit ihren Ermittlern bald Erfolge verbuchen können. Geht es nach dem BKA, müssen sich aber auch die internationalen Sicherheitsbehörden enger vernetzen, um Einbrüche einzudämmen.
Rheinland-Pfalz hat im März einen ersten Schritt gemacht und mit dem georgischen Innenministerium eine Vereinbarung unterzeichnet, in der die stärkere Zusammenarbeit der Polizeien festgehalten ist. Die Opposition im Landtag kritisiert den Zeitpunkt. Matthias Lammert, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Mainzer Landtag, sagt, er habe bereits vor einem Jahr auf die Gefahren georgischer Banden hingewiesen. Lammert spricht von einem verschenkten Jahr. "Vielleicht könnten wir in den aktuellen Zahlen schon eine Veränderung ablesen, hätte sich der Innenminister nicht so lange Zeit gelassen."Extra

Kriminalexperten von Bund und Land gehen davon aus, dass die Strippen für Banden-Einbrüche bereits in den Heimatländern gezogen werden. Für die Mafia-Banden aus dem post-sowjetischen Raum steht häufig das Synonym der "Diebe im Gesetz". Deren Ursprung liegt laut BKA im Straflagersystem des früheren sowjetischen Systems. Sie seien eine Parallelgesellschaft, die die Staatsmacht abgelehnt habe und nach einem Ehrenkodex lebe. Dabei gehe es unter anderem darum, sich der Ausübung eines ordentlichen Berufs zu verweigern und den Lebensunterhalt nur aus kriminellen Aktivitäten zu bestreiten. Einigen der "Diebe im Gesetz", die in Georgien strafrechtlich verfolgt werden, ist nach nach dem Zerfall des sowjetischen Systems die Flucht nach Europa gelungen, wo sie Expertenaussagen und Medienberichten zufolge noch heute in Banden arbeiten. Lothar Schömann, Polizeipräsident von Trier, spricht von einem "Phänomen, das uns geläufig, aber nicht neu ist". flor

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