AfD auf Siegeszug, FDP am Abgrund ...

Berlin · Feierstimmung nach den sensationellen Wahlerfolgen in Brandenburg und Thüringen: Die Alternative für Deutschland sieht sich schon als kleine Volkspartei und fordert die CDU heraus. Derweil leckt man bei der abgestraften FDP die Wunden.

Berlin. So sehen Sieger aus. Gestern früh um neun Uhr, noch bevor sich die anderen Parteien so recht von den Landtagswahlen erholt hatten, gab die Spitze der Alternative für Deutschland (AfD) in der Hauptstadt bereits ihre Triumphpressekonferenz. Sie gipfelt in der Feststellung des Vorsitzenden Bernd Lucke: "Wir sind jetzt eine kleine Volkspartei".
Gleichmäßiger Zulauf


Und mit der müssen, so Lucke, alle rechnen. Der AfD-Chef präsentierte Statistiken über die Wählerwanderung in Thüringen und Brandenburg, denen zufolge seine Partei fast gleichmäßig Zulauf hatte. So bekam sie in Thüringen 11 000 Stimmen aus dem FDP-Lager, 12 000 Stimmen von der SPD, 16 000 von der Linken und 17 000 aus der Union. Nichtwähler trugen mit 12 000 Stimmen zum guten Ergebnis von insgesamt 10,6 Prozent bei. Ganz ähnlich das Bild in Brandenburg. Nur von den Grünen wechselte kaum jemand zu der Partei mit den blauen Farben. Die "beste Wählergruppe" für die Alternativen waren in beiden Ländern übrigens männliche Realschulabsolventen unter 35 Jahren, heißt es in der internen Analyse. Das korrespondiert wenig mit der Führung, zumeist Professoren zum Teil weit jenseits der 50.
Inhaltlich setzt die einst als reine Euro-Kritiker-Partei gestartete Gruppe nun ganz bewusst auf weitere Themen, allen voran die innere Sicherheit und die Familienpolitik. Beides konservativ intoniert. Entlang der Oder habe man wegen der dortigen grenzüberschreitenden Kriminalität 20 Prozent und mehr erhalten, stellte Lucke befriedigt fest. Und das Feld der Familienpolitik lasse die CDU völlig brach liegen. Man stehe zu konservativen Familienwerten, auch zur Drei-Kind-Familie. Lucke: "Das ist als Durchschnittswert zu verstehen". Auch fordert die Partei eine "geordnete Zuwanderung", wozu laut dem Brandenburger Spitzenkandidaten Alexander Gauland auch zählt, "Leute, die nicht zu uns gehören, wieder abzuschieben". Gauland sagte, seine Partei wende sich gegen Denkverbote und habe gerade deshalb Erfolg.
Nützliche Ignoranz


Dass die CDU die AfD weiterhin rechts liegen lassen will, stört Lucke nicht, "das ist nützlich für uns". Allerdings zeigte sich der Parteichef überzeugt, dass spätestens zur Bundestagswahl hin in der Union die Debatte über den Umgang mit der AfD Fahrt aufnehmen werde, weil dann immer klarer werde, dass die CDU derzeit nur linke Parteien, nämlich SPD oder Grüne, als Koalitionspartner habe. Das werfe Identitätsprobleme für die Union auf. Die FDP, zeigte sich Lucke überzeugt, werde vollständig verschwinden - und seine Partei viele ihrer Wähler aufsaugen.Liberaler Optimismus


Ein paar Häuser weiter versuchte der liberale Parteichef Christian Lindner genau diese Einschätzung zu zerstreuen. Aber viel mehr als Optimismus hatte er nicht aufzubieten. Mit "immerhin noch" 67 Abgeordneten in Landesparlamenten und in Brüssel und mit 57 000 Mitgliedern habe die FDP "unverändert Ressourcen, die beachtlich sind". Nur schrumpfen die eben überall dort, wo gewählt wird, auf Splitterparteiniveau. 2017, die nächste Bundestagswahl, wird zum Schicksalsjahr, das ist auch Lindner klar. "Wir brauchen vorher eine Eisbrecherwahl." Vielleicht im Februar in Hamburg? Jedenfalls will sich die FDP noch stärker als bisher mit liberalen Konzepten als Alternative anbieten. Denn gegenwärtig gebe es, so Lindner, nur ein "Einerlei" von Parteien, die wie CDU, SPD und Grüne den Wohlstand bloß verteilten. Und auf der anderen Seite den "zornigen Protest" der AfD-Wähler. "Das kann es ja wohl nicht sein", rief Lindner beschwörend aus. In Brandenburg und Thüringen war es das aber.

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