Alter Aufsatz von Benedikt XVI. sorgt für neue Diskussionen

Freiburg/Bonn · Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat vor über 40 Jahren als Professor Joseph Ratzinger in Deutschland "individuelle Lösungen" zum Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen angeregt. Demnach sollten sie in Einzelfällen zu den Sakramenten zugelassen werden können. Davon will Benedikt nun offenbar nichts mehr wissen.

Freiburg/Bonn. Ein alter Aufsatz von Benedikt XVI. (Foto: dpa) löst Irritationen aus. Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff meint: Obwohl sich der emeritierte Papst in einer neuen Version nicht mehr für die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten ausspricht, widerlege der Papstaufsatz dennoch den Einwand, dass eine individuelle Zulassung zum Kommunionempfang unvereinbar mit der Glaubensüberzeugung von der Unauflöslichkeit der Ehe sei.
Der Hintergrund: Seit langem wird in der katholischen Kirche um einen neuen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen diskutiert. Bislang sind sie laut katholischer Lehre von den Sakramenten ausgeschlossen. In der Praxis gibt es jedoch oft individuelle Lösungen. Erwartet wird, dass sich Papst Franziskus 2015 nach der weltweiten Bischofssynode dazu äußern wird. In dem 1972 veröffentlichten theologischen Aufsatz betont Joseph Ratzinger einerseits das unbedingte Festhalten an der Unauflöslichkeit der Ehe, spricht sich aber zugleich für in engen Grenzen mögliche individuelle Lösungen aus, so dass in Einzelfällen auch Wiederverheiratete zu Sakramenten zugelassen werden könnten.
Der Aufsatz ist nun in den gesammelten Werken Ratzingers neu veröffentlicht worden - stark überarbeitet. Benedikt spricht nun nicht mehr von einem möglichen Sakramentenempfang für Wiederverheiratete, sondern empfiehlt stattdessen, häufiger Ehenichtigkeitsverfahren zu führen und so den Weg für eine zweite Ehe und damit den Zugang zu Kommunion und Beichte freizumachen.
In einem Interview des Internetportals katholisch.de äußerte Schockenhoff Kritik an der redaktionellen Bearbeitung durch den Verfasser. "Es ist bedauerlich, dass er die frühere und die jetzige Position nicht gegenüberstellt. Der Leser kann nicht nachvollziehen, welche Argumente er heute anders beurteilt." Offenbar lege Benedikt XVI. mit seiner geänderten Version ein stärkeres Gewicht auf die Aussage, dass der Glaube bis in das Innere der Kirche hinein verdunste. "Und in einer solchen Situation muss die Kirche in aller Deutlichkeit klarmachen, dass sie an der Unauflöslichkeit der Ehe festhält." Auf die Frage, was die Veröffentlichung für die Diskussion heute bedeute, sagte Schockenhoff: "Da kann man natürlich nur spekulieren, ob es ein Zufall ist, dass die Veröffentlichung genau jetzt stattfindet oder Benedikt indirekt Einfluss nehmen möchte." KNA

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