"Auch im Winter werden die Lichter nicht ausgehen"

Weil sie sich wegen der Energiewende nicht mehr rechnen, wollen die deutschen Energie-Versorger insgesamt 57 konventionelle Kraftwerke stilllegen. Der Branchenverband BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) warnt schon vor Versorgungsengpässen. Unser Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit der Vorsitzenden des Umweltausschusses im Bundestag, Bärbel Höhn (Grüne):

"Auch im Winter werden die Lichter nicht ausgehen"
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Frau Höhn, unter ökologischem Aspekt müsste es Sie doch freuen, wenn alte Kohlekraftwerke vom Netz gehen, oder? Bärbel Höhn: Im Grundsatz ja. Aber leider werden alte Braunkohlekraftwerke, die die größten Umweltverschmutzer sind, nicht dauerhaft stillgelegt. Vielmehr gehen sie in die Kapazitätsreserve. Und dafür erhalten die Konzerne auch noch viel Geld, das die Verbraucher aufbringen müssen. Ursprünglich sollten die Konzerne ja eine Abgabe für solche Kraftwerke entrichten. Stattdessen werden sie nun teuer subventioniert, weil Wirtschaftsminister Gabriel vor den Energiekonzernen eingeknickt ist.Gleichzeitig werden aber auch umweltfreundliche Gaskraftwerke abgeschaltet. Warum rechnen die sich nicht?Höhn: Weil der Energiepreis an der Energiebörse dramatisch gesunken ist. Das liegt am starken Vormarsch der erneuerbaren Energien, aber auch daran, dass der Preis für das klimaschädliche CO{-2} im Keller ist. Der Emissionshandel auf EU-Ebene funktioniert nicht. So billig können Gaskraftwerke, aber auch moderne Steinkohlekraftwerke nicht produzieren. Alte Dreckschleudern lohnen sich mehr. Das ist völliger Irrsinn. Und wie ließe der sich beseitigen?Höhn: Indem man zusätzlich eine eigene, nationale Abgabe für Kraftwerke mit besonders hohem CO{-2}-Ausstoß einführt. Aber davor ist Wirtschaftsminister Gabriel zurückgeschreckt. Übrigens auch auf Druck der Union, die nun beklagt, wie teuer die ganze Energiewende geworden ist. Je mehr grüner Strom ins Netz kommt, desto mehr müssen die Endverbraucher dafür zahlen. Haben Sie sich die Energiewende so vorgestellt?Höhn: Wenn die Konzerne die gesunkenen Strompreise an die Verbraucher weitergeben würden, dann wäre die Energiewende gar nicht so teuer. Aber richtig ist natürlich, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien Geld kostet. Satte 28 Milliarden Euro pro Jahr müssen die Stromkunden in Deutschland dafür zahlen, hat das Institut der deutschen Wirtschaft errechnet ...Höhn: Darin sind aber auch die Subventionen für die Braunkohle enthalten. Und da wird es wirklich absurd. So kann man die erneuerbaren Energien auch zum Buhmann erklären. Können die hohen Stromkosten zum Bremsklotz für die deutsche Wirtschaft werden?Höhn: Nein. Denn ein großer Teil der Unternehmen ist ja befreit von den Abgaben für die erneuerbaren Energien und teilweise auch von den Netzentgelten. Problematisch ist die Situation allerdings für kleinere Betriebe, die nicht von den Ausnahmen profitieren, und vor allen Dingen für die privaten Verbraucher. Auf sie wird alles abgeladen. Um dieses Problem zu entschärfen, müsste man die Ausnahmen für große Betriebe beschneiden. Bei einem Aluminium-Werk, das sehr energieintensiv ist, sind Ausnahmen größtenteils gerechtfertigt. Aber wenn zum Beispiel große industrielle Hühnermäster oder auch die Förderer von Braunkohle davon profitieren, dann läuft wirklich etwas schief. Ist die Warnung vor Versorgungsengpässen gerechtfertigt?Höhn: Auch ein klares Nein. Wir haben extrem hohe Exportüberschüsse beim Strom und riesige Überkapazitäten. Selbst wenn alle 57 Anlagen mit einem Schlag vom Netz gingen, würden auch im Winter nicht die Lichter bei uns ausgehen. Und wenn die Bundesnetzagentur feststellen sollte, dass Teile davon benötigt werden, dann müssen die auch am Netz bleiben. Diese Behörde wacht darüber, dass es nicht zu Versorgungsengpässen kommt. Gegenteilige Warnungen sind Panikmache, um Subventionen zu bekommen. vetExtra

Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) leitet im Bundestag den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Die 63-Jährige war seit 1990 ohne Unterbrechung NRW-Landtagsabgeordnete, Landesministerin oder Bundestagsabgeordnete. red

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