BND-Chef Schindler: Wir sind abhängig von der NSA

Berlin · BND-Präsident Gerhard Schindler hat die umstrittene Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst NSA eindringlich verteidigt und vor einer Beschädigung der internationalen Geheimdienstkooperation gewarnt.

Der Mann, der im Geheimen arbeitet, dessen Namen man vielleicht noch eher kennt als sein Gesicht, muss durch ein Spalier von Kameras. Es ist die Form der Öffentlichkeit, die Geheimdienstler gar nicht mögen - aber Gerhard Schindler, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, steht im Moment das Wasser bis zum Hals. Oder anders formuliert: Der BND, seine Behörde, ist ins Zwielicht geraten. Dafür muss er jetzt die Verantwortung übernehmen. Bei seinem Auftritt vor dem NSA-Untersuchungsausschuss tritt Schindler die Flucht nach vorn an.Prinzip der drei Affen


Erst am frühen Abend ist der 61-Jährige, der seit 2012 den BND führt, an der Reihe. Zuvor war einer seiner Abteilungsleiter vernommen worden, zuständig für die "Technische Aufklärung". Der Mann beherzigt das Prinzip der drei Affen: Nichts sehen, nichts hören, nicht sagen. Manch einen im Ausschuss bringt das fast zur Weißglut. Denn die Abgeordneten erleben einen Vorgesetzten, der behauptet, von groß angelegten Löschaktionen illegaler Selektoren bis vor wenigen Wochen nichts gewusst und auch nicht nachgefragt zu haben.
Hintergrund ist, dass der BND dem US-Dienst NSA über Jahre geholfen haben soll, europäische Firmen und Politiker auszuspähen. Die NSA schleuste dazu "Selektoren" (Suchbegriffe) in die Überwachungssysteme des BND in der Abhörstation Bad Aibling ein, die sich gegen Ziele in Europa richteten. Das fiel auch dem Nachrichtendienst mehrfach auf, unter anderem bei internen Prüfungen im August 2013. Von alledem will der zuständige Abteilungsleiter jedoch nichts mitbekommen haben. Im Ausschuss wird das zum Teil mit Hohn quittiert. Der Eindruck entsteht, dass der Geheimdienst ein Eigenleben führt, dass er ein in sich geschlossenes System ist, welches sich von außen nicht knacken lassen will.Kalkulierter Auftritt


Bei Schindler ist das etwas anders: Sein Auftritt ist klug kalkuliert, in seiner schwarzen Ledertasche hat er zwei Aktenordner und mehrere Hefter dabei - Munition in Papierform. Zu Beginn verliest Schindler eine mehrseitige Erklärung, die rhetorisch geschickt aufgebaut ist. Er lobt zunächst Abgeordnete und Medien, die jetzt zur Versachlichung der Debatte beitragen würden. In Wahrheit sieht man das beim BND und im Kanzleramt anders. Dann lobt Schindler seine 6500 Mitarbeiter, für "alles und alle" trage er die Verantwortung. Das kommt immer gut. Noch wichtiger sind dann aber die folgenden Botschaften des Präsidenten: Der BND wird dringender denn je benötigt. Jeder soll es hören. Genauso wie die internationale Kooperation mit andere Diensten.
Glaubt man Schindler, so ist nämlich seine Truppe inzwischen so etwas wie das Schmuddelkind unter den Spionen.
In Europa würde man bereits zu wichtigen Gesprächen nicht mehr eingeladen wegen der in Deutschland laufenden Debatte über die NSA- und BND-Affäre. "Erste Partnerdienste in Europa überprüfen die Zusammenarbeit mit dem BND."
Es ist kein gutes Bild, das Schindler zeichnet. Die Existenz seiner Behörde sieht der oberste Spion sogar in Gefahr. Zugleich erinnert er die Abgeordneten daran, wie wichtig die Kooperation ist: "Wir sind abhängig von der NSA und nicht umgekehrt", erklärt Schindler. Das hört man vor allem bei der Opposition nicht gerne. Der US-Geheimdienst gefährde außerdem nicht die Sicherheit Deutschlands, sondern helfe, diese zu schützen. "Unsere Leistungsfähigkeit beruht auf internationaler Zusammenarbeit. Sie ist unverzichtbar."
So sei es dem BND gelungen, in Afghanistan 19 Anschläge auf deutsche Soldaten zu verhindern. Außerdem agiere man zweckvoll in der Ukraine-Krise und im Kampf gegen den islamistischen Terror. Eindringlich betont Schindler: "Der Bundesnachrichtendienst arbeitet für deutsche Interessen, für Deutschland und für niemand anderen." Bei der anschließenden Befragung, die sich bis in den späten Abend zieht, zeigt sich nicht jeder Abgeordnete davon gänzlich überzeugt.Extra

Auch nach über einer Woche ist die Hackerattacke auf Computer des Deutschen Bundestags noch nicht vollständig abgewehrt. "Die Sache ist noch nicht beendet", sagte ein Parlamentssprecher am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Er bestätigte Berichte, nach denen möglicherweise eine Neujustierung der Technik nötig wird. "Es ist möglich, dass Teile der IT-Infrastruktur neu aufzusetzen sind." Informationen, nach denen Bundestagspräsident Norbert Lammert wegen der Angelegenheit eine vorgezogene Sommerpause erwäge, wies er hingegen als "baren Unsinn" zurück. dpa

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