Bei Schwerbehinderten stottert der Jobmotor

Berlin · Schwerbehinderte Menschen sind trotz guter Konjunktur stark von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Die Erwerbschancen älterer Schwerbehinderter mit Hartz IV haben sich seit 2008 sogar deutlich verschlechtert. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbundes hervor.

Berlin. Der Jobmotor in Deutschland läuft auf vollen Touren. Mit einer Quote von 6,5 Prozent registrierte die Bundesagentur für Arbeit die niedrigste April-Arbeitslosigkeit seit fast einem Vierteljahrhundert. Doch nicht alle Personengruppen profitieren vom Beschäftigungsboom. Unter den Schwerbehinderten ist die Zahl der Arbeitslosen, die auf Hartz IV angewiesen sind, seit 2008 von 104 000 auf 112 000 im vergangenen Jahr gestiegen.
Laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) resultiert die Entwicklung aus einem Zuwachs bei den über 55-Jährigen. In den vergangenen sechs Jahren hat sich die Zahl der Erwerbslosen dieser Altersgruppe um 12 000 auf 32 000 erhöht. Gleichzeitig hat sich der Anteil der älteren Schwerbehinderten, die von staatlichen Transfers leben müssen, seit 2008 von elf auf 16 Prozent erhöht.
Dabei verfügen die Betroffenen häufiger über eine Berufsausbildung als Langzeitarbeitslose insgesamt. "Hier stellt sich die Frage, wie wichtig den Unternehmen die Sicherung ihres Fachkräftebedarfs tatsächlich ist, oder inwiefern Vorbehalte gegenüber der Leistungsfähigkeit von älteren und schwerbehinderten Menschen überwiegen", heißt es in der Untersuchung.

Förderung erleichtert Jobsuche


Eine Hauptursache für die Erwerbslosigkeit sieht der DGB in der staatlichen Rotstiftpolitik bei der Arbeitsförderung. Laut Studie kam 2008 auf zwei schwerbehinderte Arbeitslose über 50 Jahre eine geförderte Person. Bis 2013 verschlechterte sich das Verhältnis auf vier zu eins. Bei unzureichender Förderung werde eine Beschäftigungsaufnahme "deutlich schwieriger", heißt es. So fanden 2014 nur knapp 21 000 schwerbehinderte Arbeitslose einen Job. Das waren fast genauso viele wie 2010 - allerdings bei gestiegener Arbeitslosenzahl in dieser Personengruppe. Die Abgangsrate Schwerbehinderter in Beschäftigung ist deshalb von 1,7 auf 1,5 Prozent gesunken und damit nur halb so groß wie die bei allen Arbeitslosen.
"Wir brauchen einen Mix aus Sofortmaßnahmen, um diese abgehängte Zielgruppe zu integrieren", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach unserer Zeitung. Das bedeute: Mehr Geld für die Förderung Arbeitsloser in Hartz IV und mehr längerfristige Förderung in Beschäftigung statt Kurzzeitpraktika. Zugleich forderte Buntenbach ein bundesweites Budget zur Förderung von Behinderten. vet

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