Bundestag vergibt in Haushaltsdebatte Chance auf angemessenen Auftakt zum Wahljahr

Berlin · "Generaldebatte" oder "Elefantenrunde" - so nennt man es, wenn der Bundestag über den Haushalt der Kanzlerin diskutiert. Und damit über alle politischen Themen. Am Mittwoch ging es um den Etat 2017. Es war die letzte große Aussprache vor dem Wahljahr. Doch wenn das, was die Akteure boten, ein Vorgeschmack darauf sein soll, dann wird es eine ziemlich fade Auseinandersetzung werden.

Donald Trumps Wahlsieg, der Brexit und der Aufstieg von Populisten in vielen Ländern Europas bildeten den dramatischen Hintergrund der Aussprache im Bundestag.

Doch nur Oppositionsführerin Sahra Wagenknecht, die als Erste sprach, machte das durchgehend zum Thema. Allerdings in einer überraschenden Weise: Die Linksfraktionschefin lobte Trumps Absage an Freihandelsabkommen, seine Politik für die amerikanischen Industriearbeiter und sein angekündigtes Infrastrukturprogramm.Satz des Tages

"Offenbar hat Trump mehr drauf als Sie", rief Wagenknecht in Richtung Kanzlerin und große Koalition. Das war der Satz des Tages, und der rief später den empörten SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann auf den Plan: "Populisten aller Länder, vereinigt euch!"

Tatsächlich unterschied sich die Kritik der Linkspolitikerin an der Regierung kaum von der der AfD. Die Zerstörung der Mittelschichten beklagte die 47-Jährige, die Vermögensverluste durch die Niedrigzinsen, die fehlenden Polizisten und die Steuerpolitik für die Reichen. Wagenknecht zitierte aus der Mail einer Anhängerin: "Der einfache Bürger kämpft ums Überleben." Auch sagte sie, dass bald der Zusatzbeitrag in der Gesundheitsversicherung steigen werde, weil viele Flüchtlinge nun in Hartz IV rutschen. "Je mehr Hartz-IV-Empfänger desto teurer wird es für den Postzusteller oder die Aldi-Kassiererin", schimpfte die Linke.Meistens Allerweltsreden

Dann schob sie hinterher, dass es ein Skandal sei, dass sich nicht auch die Privatversicherten an diesen "Lasten" beteiligten. Wagenknechts denkwürdige Rede schloss mit dem Satz, die Wahl von Rechtspopulisten sei "politische Notwehr der unteren Schichten", aber das war auch wieder nur ein Zitat, diesmal übernommen vom französischen Schriftsteller Didier Eribon.

Nach diesem lautstarken Auftakt fiel zweierlei auf: Erstens, dass die Linkspartei im Bundestag völlig isoliert ist. Während es bei allen anderen Beiträgen durchaus auch einmal Beifall über die Parteigrenzen hinweg gab, beteiligte sich die Linke daran nie. Und umgekehrt klatschte auch keiner aus einer anderen Partei Wagenknecht zu. Ein rot-rot-grünes Bündnis scheint weiter entfernt denn je zu sein.

Das Zweite: Wagenknecht blieb die Einzige, die wenigstens versuchte, auch von der Tonlage her auf die dramatisch veränderte Lage einzugehen. Die Fraktionschefs von SPD und Union, Thomas Oppermann und Volker Kauder, hielten Allerweltsreden, die sich im Detail der Regierungsarbeit verloren. Zum Beispiel in der Frage, nach welchem Schlüssel die Hilfsgelder für Länder und Gemeinden verteilt werden sollen.

Anton Hofreiter von den Grünen erwähnte zwar die brisanten Themen, doch ihm gelang dann doch nicht das, was er selbst forderte, nämlich "eine Sprache finden, die die Menschen mitnimmt".

Und Angela Merkel? Die Ansprache der Bundeskanzlerin, die soeben verkündet hat, 2017 für eine vierte Periode kandidieren zu wollen, lässt sich nur mit "Weiter so!" überschreiben. Zwar grenzte sie sich von dem grassierenden Nationalismus ab und sagte in Richtung der Trumps dieser Welt, dass Offenheit den Menschen am Ende mehr Sicherheit bringen werde als Abschottung. "Davon bin ich überzeugt."

Ansonsten aber trug sie 40 Minuten lang ziemlich leidenschaftslos die Schwerpunkte der deutschen G20-Präsidentschaft im nächsten Jahr vor, streifte internationale Krisenherde wie Syrien und die Türkei und skizzierte ein Reformprogramm für die EU.

Der Satz, der von ihrer diesjährigen Rede in der Elefantenrunde am meisten hängen bleiben wird, lautete: "Den Menschen in Deutschland ging es noch nie so gut wie im Augenblick." Als wäre nichts passiert.Extra

Unionsfraktionschef Volker Kauder hat das Agieren von Volkswagen und Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann kritisiert. Er wünsche sich, dass große Aktiengesellschaften "sich ein bisschen sensibler in der Öffentlichkeit bewegen", sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in der Generaldebatte zum Haushalt 2017 im Bundestag. "Denn sie tragen zu Irritation in unserer Gesellschaft erheblich bei." Kauder verwies auf die angekündigte Streichung von 23 000 Stellen bei VW in Deutschland und die gleichzeitigen Diskussionen um Managerboni. "Das ist kein gutes Beispiel für Kultur in diesem Land." Er kritisierte zudem Ackermanns Nein, auf Boni seines Ex-Arbeitgebers zu verzichten. "Das hat was mit Fastnacht und Karneval, aber nicht mit ernsthaftem Wirtschaften in unserem Land zu tun", sagte Kauder und schloss sich entsprechender Kritik von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an. dpa

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