"Christen stehen im Irak vor der Auslöschung"

Trier · Der Trierer Bischof Stephan Ackermann betrachtet die Lage der Christen im Norden des Irak besorgt. Sie erlitten seit Jahren ein Martyrium, sagt er. Waffenlieferungen an die Kurden verurteilt der Bischof nicht.

Trier. Bischof Stephan Ackermann ist besorgt. Die Lage im Irak, wo sich die Terrormiliz IS (Islamischer Staat) immer weiter ausbreitet, beschäftigt ihn sehr. "Die Nachrichten und Bilder, die uns täglich aus dem Norden des Irak erreichen, bestürzen mich", sagte Ackermann unserer Zeitung. Die sunnitischen Dschihadisten gingen mit ungeheurer Grausamkeit vor.

Auch gestern. Irakische Medien berichteten, die Terrormiliz habe im Norden des Irak das Dorf Tel Ali westlich der Stadt Kirkuk gestürmt und mindestens 50 Männer verschleppt. Die Entführten seien an einen unbekannten Ort gebracht worden. Die Entführung sei ein Racheakt gewesen, weil Bewohner des Dorfes eine Fahne des Islamischen Staates verbrannt hatten. "Alle, die sich ihrer Version des Islam nicht unterwerfen wollen, haben zu leiden - besonders aber die religiösen Minderheiten", sagt Bischof Ackermann. Die Christen und die kleine Glaubensgemeinschaft der Jesiden im Herrschaftsgebiet der Terror-Milizen stünden vor der Auslöschung.
Stationen eines Martyriums


Für die Christen bedeuteten die Einnahmen der Stadt Mossul und der christlichen Stadt Karakosch "weitere Stationen des Martyriums, das mit dem Bürgerkrieg nach der Invasion des Irak im Jahr 2003 begann", so der Bischof. Er bittet die Gläubigen "um ihr solidarisches Gebet für unsere christlichen Glaubensgeschwister und für alle Opfer von Gewalt und Terror".

Gemeinsam mit Papst Franziskus und den Bischöfen im Irak fordern die deutschen Bischöfe, den Terror aufzuhalten und den Flüchtlingen die Rückkehr in die Heimat zu ermöglichen. Bereits Ende August haben sich die deutschen Bischöfe mit der Frage von Waffenlieferungen an die kurdischen Kämpfer beschäftigt.

"Militärische Maßnahmen, zu denen auch die Lieferung von Waffen an eine im Konflikt befindliche Gruppe gehört, dürfen niemals ein selbstverständliches und unhinterfragtes Mittel der Friedens- und Sicherheitspolitik sein", sagt Ackermann. In bestimmten Situationen könnten sie auch nicht ausgeschlossen werden."

Die deutschen Bischöfe einigten sich in ihrer Erklärung auf die Formulierung "sofern keine anderen - gewaltfreien oder gewalt-ärmeren - Handlungsoptionen vorhanden sind, um die Ausrottung ganzer Volksgruppen und massenhafte schwerste Menschenrechtsverletzungen zu verhindern." Darauf verweist auch Ackermann: "Wir erinnern in diesem Zusammenhang an die rechtliche Pflicht der Staaten, gegen Völkermord aktiv tätig zu werden, und die sogenannte Schutzverantwortung zur Abwehr schlimmster, viele Menschen bedrohender Verbrechen."Mit der Lehre konform


Diese Maßgabe entspreche den Grundsätzen der katholischen Lehre über den gerechten Frieden.
Die Nato hat Hilfe im Kampf gegen die IS angeboten. "Ich glaube, dass die internationale Gemeinschaft insgesamt eine Verpflichtung hat, die IS an einem weiteren Vorrücken zu hindern", sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen beim Gipfel der Allianz im walisischen Newport.

Die deutschen Bischöfe machen klar, dass sie sich von einem gewalttätigen Islam distanzieren. Sie sagen aber auch: "Islam und IS sind nicht dasselbe." Allerdings müssten sich die friedliebenden Muslime die Frage stellen, wie es zu den Entwicklungen innerhalb des Islam gekommen ist. "Nur auf Fehler, Versäumnisse und Schuld zu verweisen, die außerhalb der Kultur liegen, greift zu kurz", heißt es in der Erklärung der Bischöfe.

Die humanitäre Lage im umkämpften Gebiet ist kritisch. "Die Opfer der Katastrophen im Mittleren Osten brauchen unmittelbare humanitäre Unterstützung", sagt Bischof Ackermann. Das Bistum Trier rufe daher zu Spenden auf und habe selbst bereits 10 000 Euro an die Caritas überwiesen, die vor Ort versuche, Hilfsgüterverteilungen mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Medikamenten, Decken und anderen überlebenswichtigen Gütern zu organisieren.
Spenden an: Deutscher Caritasverband, IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02, Stichwort: Nothilfe IrakExtra

Die Zahl der Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, steigt. Damit wächst auch die Zahl derer, die Asylbewerberleistungen bekommen. Die Zahl der Empfänger ist in Deutschland im vorigen Jahr um mehr als ein Drittel gestiegen. Rund 225 000 Menschen bekamen Ende 2013 Geld und Gutscheine nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Darunter waren viele Flüchtlinge aus Krisenstaaten wie Afghanistan, Syrien und dem Irak, aber auch zahlreiche Menschen vom Balkan. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort