Copilot brachte Germanwings-Maschine absichtlich zum Absturz

Düsseldorf /Seyne-les-Alpes · Die Flugzeug-Katastrophe über den französischen Alpen ist kein tragisches Unglück. Die Ermittler sind überzeugt: Der 27 Jahre alte Copilot brachte die Germanwings-Maschine selbst zum Absturz. Das Warum ist unklar.

 Von computergesteuerter Technik umgeben: Piloten im Cockpit eines Lufthansa-Airbus A380. Foto: Daniel Reinhardt/Archiv

Von computergesteuerter Technik umgeben: Piloten im Cockpit eines Lufthansa-Airbus A380. Foto: Daniel Reinhardt/Archiv

(dpa) -Der Copilot der verunglückten Germanwings-Maschine hat nach Erkenntnissen der Ermittler den Sinkflug selbst ausgelöst und so den Airbus absichtlich zum Absturz gebracht. Er sei zu diesem Zeitpunkt allein im Cockpit gewesen, der Pilot sei aus der Kabine ausgesperrt gewesen, sagte der Marseiller Staatsanwalt Brice Robin am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. „Es sieht so aus, als ob der Copilot das Flugzeug vorsätzlich zum Absturz gebracht und so zerstört hat.“ Hinweise auf einen terroristischen Anschlag gebe es nicht. Die Motive des 27-Jährigen sind unklar.

Der Pilot hatte demnach kurz zuvor das Cockpit verlassen, um auf die Toilette zu gehen, und das Kommando seinem Kollegen übergeben. Als er zurück ans Steuer wollte, habe er die automatisch verriegelte Kabinentür nicht mehr öffnen können, schilderte der Staatsanwalt. Die plausibelste Deutung gehe dahin, dass der Copilot vorsätzlich verhindert habe, dass die Tür geöffnet werde. Auf Ansprache des Towers habe der Mann nicht reagiert. Ein Notruf sei nicht abgesetzt worden.

Laut Robin war er nicht als Terrorist erfasst. Bekannt war bereits, dass der Mann seit 2013 bei Germanwings beschäftigt war und aus dem rheinland-pfälzischen Montabaur stammte.

Der Stimmenrekorder habe bis zuletzt schweres Atmen aus dem Cockpit aufgezeichnet, gesagt habe der Copilot nichts mehr, erklärte der Staatsanwalt. In den letzten Minuten, bevor der A320 mit 150 Menschen an Bord an einer Felswand zerschellt sei, hätten der ausgesperrte Kapitän und die Crew von außen gegen die Cockpit-Tür gehämmert. „Die Schreie der Passagiere hören wir erst in den letzten Sekunden auf dem Band“, sagten die Ermittler. In den ersten 20 Minuten nach dem Start haben sich Pilot und Copilot demnach ganz normal unterhalten.

Der zweite Flugschreiber sei noch nicht gefunden, sagte Robin weiter. Zuvor hatte er die aus Düsseldorf und Barcelona angereisten Hinterbliebenen der Todesopfer informiert. Die Bergung und Identifizierung der Opfer könne mehrere Wochen dauern.

Kurz vor Beginn der Pressekonferenz in Marseille hatte bereits ein Düsseldorfer Staatsanwalt Medienberichte bestätigt, wonach einer der Piloten aus dem Cockpit ausgesperrt war. Die „New York Times“ und die französische Nachrichtenagentur AFP hatten unter Berufung auf Ermittler berichtet, dass einer der Piloten seinen Platz verlassen und danach versucht habe, die verschlossene Tür einzutreten.

Der Airbus mit der Flugnummer 4U9525 war am Dienstag auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als er über Südfrankreich minutenlang an Flughöhe verlor und am Bergmassiv Les Trois Evêchés zerschellte. An Bord waren 72 Deutsche. Aus Spanien stammten nach Angaben aus Regierungskreisen in Madrid 50 Opfer.

Lufthansa und Germanwings haben für 14.30 Uhr eine Pressekonferenz am Flughafen Köln/Bonn angekündigt.

Exakt um 10.53 Uhr gedachten am Donnerstag viele Menschen vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in aller Stille der 150 Todesopfer. Behörden, Schulen und Unternehmen beteiligten sich an der Schweigeminute, zu der die Landesregierungen aufgerufen hatten. Mancherorts stand auch der Verkehr still. Genau um 10.53 Uhr war am Dienstag die Funkverbindung zu der Germanwings-Maschine mit der Flugnummer 4U9525 abgebrochen. Bundestagspräsident Norbert Lammert hielt am Morgen beim Gedenken des Parlaments eine Ansprache.

Am Unfallort ging die Bergung der Leichen weiter. Neben der Bergrettung sind Soldaten und Feuerwehrleute an dem Einsatz beteiligt. „Die Arbeit ist extrem schwierig, das Gelände ist gefährlich. Es ist steil und rutschig“, sagte der Chef der Bergrettungskräfte, Olivier Cousin. Insgesamt waren rund 70 Menschen an der Unglücksstelle. Rund zwölf Ermittler waren unterwegs, um die Spuren zu sichern und die zweite Blackbox zu finden. Etwa sechs weitere suchten nach Leichenteilen.

Hinterbliebene von Todesopfern landeten am Vormittag in Marseille. Die rund 50 Angehörigen waren am Donnerstagmorgen in Düsseldorf gestartet, um in die Nähe des Absturzortes zu gelangen. Mit an Bord reiste auch ein Betreuer-Team, bestehend aus Seelsorgern, Ärzten und Psychologen, wie die Lufthansa mitteilte. Außerdem war ein zweiter Sonderflug mit einer Germanwings-Maschine für Angehörige der Crew am Donnerstagvormittag ab Düsseldorf geplant. Aus Barcelona wurde ein Flieger mit Angehörigen spanischer Opfer erwartet.

Für die Angehörigen sollte es jedoch keine Möglichkeit geben, an die Absturzstelle zu gelangen: „Das ist nicht möglich, das ist viel zu gefährlich“, sagte der Unterpräfekt von Aix-en-Provence, Serge Gouteyron, der Deutschen Presse-Agentur. Zusammen mit der Polizei und Helfern vor Ort bereitete er die Ankunft von Angehörigen in Le Vernet vor. Diese Siedlung liegt in unmittelbarer Nähe der Absturzstelle.
Das Sportzentrum von Seyne-les-Alpes, in dem eine Art Kapelle als Trauerraum für die Angehörigen eingerichtet wurde, war abgeriegelt. Gendarmen kontrollierten den Zugang. Die Familien sollten Ruhe haben für ihre Trauer. Im Rathaus erstellten Mitarbeiter eine Liste von Einheimischen, die Menschen aufnehmen können.

Der A320 mit der Flugnummer 4U9525 war am Dienstag auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als er über Südfrankreich minutenlang an Flughöhe verlor und am Bergmassiv Les Trois Evêchés zerschellte. An Bord waren 72 Deutsche. Aus Spanien stammten nach Angaben aus Regierungskreisen in Madrid 50 Opfer.

Germanwings-Kunden können zukünftige Flüge kostenlos unter der Nummer 0180/632 03 20 stornieren.

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