"Das Hahn-Desaster schadet dem Ansehen der Politik"

Julia Klöckner hat sich in den Wochen nach der Landtagswahl zurückgezogen. Doch mit dem verpatzten Verkauf des Flughafens Hahn schaltet die CDU-Fraktionschefin auf Attacke um, wollte Ministerpräsidentin Malu Dreyer im Landtag stürzen. Über die Hahn-Krise sprach sie mit TV-Redakteur Florian Schlecht.

Hand aufs Herz: Wie froh sind Sie angesichts der Probleme um den Flughafen Hahn, dass die CDU die Landtagswahl nicht gewonnen hat?
Julia Klöckner (lacht): Das wäre zu kurz gedacht. Politik bedeutet ja, Probleme für das Land zu lösen und nicht froh zu sein, dass andere sie haben. Vom Nicht-Gelingen der momentanen Regierungspolitik sind wir doch alle betroffen - die Menschen am Hahn, der Steuerzahler, das Image unseres Landes und die Politik insgesamt. Gerade jetzt wäre es wichtig, eine Regierung zu haben, die offen alte Fehler aufarbeitet und sie nicht wiederholt.

Fast jeden Tag gibt es neue Enthüllungen um den vorerst gescheiterten Hahn-Verkauf. Wäre es einer CDU-Regierung anders ergangen?
Klöckner: Was wir jetzt erleben, ist das Ergebnis einer 25-jährigen Regierungspolitik der SPD.

Was meinen Sie damit?
Klöckner: Sie hat entschieden, die Fraport - einen ausgewiesenen Flughafenexperten - rauszudrängen, um als Land das Sagen zu haben. Heißt am Ende, den rheinland-pfälzischen Steuerzahler die auflaufenden Schulden zahlen zu lassen. Jahrzehntelang ließ die Regierung es einfach laufen, subventionierte aus dem Landeshaushalt, ohne ein tragfähiges Betriebskonzept zu entwickelt. Sie hat sich lange gesträubt, den Flughafen zu privatisieren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Flughafen ins Strudeln kam, wenn man nicht das Ruder rumreißt. Und dann hat die Regierungschefin beschlossen, diesen dubiosen Weg mit der Phantom-Firma SYT zu gehen und das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG mit mehr als sechs Millionen Euro zu unterstützen.

Was hätte die CDU denn anders gemacht?
Klöckner: Einiges, wie Sie an unseren Alternativvorschlägen, die wir seit Jahren vorlegen, sehen.

Nennen Sie Beispiele.
Klöckner: Wir hätten mit der Fraport zusammengearbeitet, früher mit der EU geredet, ein Betriebskonzept entwickelt, das sich finanziell trägt und nicht bis zum Schluss mit der Privatisierung gewartet. Vor allem hätten wir uns der Realität gestellt und die Lage nicht schöner geredet als sie ist, schon gar nicht die jetzt zu Tage tretenden Vorgänge vertuscht, Verantwortung auf andere abgewälzt. Führen heißt, Entscheidungen zu treffen und zu ihnen zu stehen.

Die Regierung ...
Klöckner: … setzt jetzt auf einen Panikverkauf, begnügt sich mit einem Businessplan, der in vier Tagen zusammengezimmert worden ist. Es werden alle Augen zugedrückt, weil das Geld ausgeht. Als Bittsteller ist man immer in einer schlechteren Position. Die ganze Situation ist so belastend für die vielen Firmen und Mitarbeiter und Familien am Hahn Einen Riesenschaden fürs ganze Land hat die Regierung da in Kauf genommen, das kann man doch nicht machen.

Ärgert es Sie angesichts ständig neuer Details im Verkaufsverfahren, dass Sie den Misstrauensantrag gegen Ministerpräsidentin Dreyer so früh gestellt haben?
Klöckner: Wenn nachweislich das Vertrauen in Regierungshandeln so massiv erschüttert worden ist, dann muss das Konsequenzen haben. Frau Dreyer sagte, sie hätte sich von der Seriosität des Käufers überzeugt. Die Bonität sei geprüft. Sie sagte nach den ersten Fernsehberichten von leeren Pappkartons in den SYT-Büros, man soll sich von den Bildern nicht täuschen lassen. Die Bilder entsprachen aber leider der Wirklichkeit.

Und was bedeutet das?
Klöckner: Damit wurde klar, wie Frau Dreyer bei Entscheidungen vorgeht - nicht sorgfältig. Und als dann alles aufflog, sahen wir uns in unserer Skepsis bestätigt. Nach dem Nürburgring ist die Landesregierung erneut so fahrlässig vorgegangen. Es gibt keine Anzeichen, dass sich das Regierungshandeln ändert und wir der Regierungschefin in Wirtschafts- und Finanzfragen mit solcher Tragweite vertrauen können. Frau Dreyer hat damit geworben, man solle ihrem Vorgehen, trotz Warnungen durch Experten und Berater, vertrauen. Der Schaden ist immens.

In der CDU zweifeln viele, ob die Ampelkoalition fünf Jahre hält. Was denken Sie?
Klöckner: Nicht mit der Dauer von Koalitionen beschäftige ich mich, sondern mit den Inhalten.

Und was erkennen Sie da?
Klöckner: Dass Regierende, die auf Zeit spielen, und zu viel Energie in das Beschönigen der Fakten legen, am Ende nichts fürs Land und seine Menschen erreichen. Und dass Frau Dreyer und Herr Lewentz sich nun gegenseitig und der Beraterfirma die Schuld für das Hahn-Desaster zuschieben, dass Grüne und FDP kritiklos zuschauen und Opposition und Öffentlichkeit an der Aufklärung gehindert werden, dass viele Akten noch geheim sind und plötzlich ein ehemaliger SPD-Staatssekretär (Siegfried Englert von der Firma ADC, die Red.) in einer Nacht-und Nebel-Aktion Grundstücke am Hahn bekommt, das ist nicht gut. Das schadet am Ende dem Ansehen von Politik insgesamt, dem Vertrauen in staatliche Institutionen.

SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer mutmaßt, dass persönliche Motive ein Grund für die Dreyer-Abstimmung waren. Er sagt: "Julia Klöckner hat zwei Wahlen und zwei Misstrauensanträge verloren. Das ist ganz schön viel für eine Frau in ihrem Alter."
Klöckner: Ich denke, Herr Schweitzer weiß selbst am besten, wo er mehrfach erfolglos war. War er es nicht, der den chinesischen Betrüger als alternativlos bezeichnete?

Wie sehr schmerzt nach wie vor der Stachel der Wahlniederlage?
Klöckner: Auf den letzten Metern so zu verlieren, das tut weh, das hinterlässt Narben.

Welche Lehren ziehen Sie aus der Niederlage?
Klöckner: Man denkt über vieles nach. Auch über eigene Fehler.

Was würden Sie bei der nächsten Wahl anders machen?
Klöckner: Mehr erklären und erläutern, die Menschen in ihrem Lebensalltag mehr abholen. Ihnen geht es um Sicherheit und Verlässlichkeit. Beim Wahlkampf spielte nur noch die Flüchtlingskrise eine Rolle und nicht mehr die Landesthemen, die uns ja alle wieder einholen. Zu wenig Polizisten, zu viele befristete Lehrerverträge und Unterrichtsausfall, schlechte Internet- und Straßenversorgung, mangelnde Arztversorgung auf dem Land. Da würde ich heute den Schwerpunkt erkennbarer setzen.

2021 steht die nächste Landtagswahl an. Mit Julia Klöckner als CDU-Spitzenkandidatin?
Klöckner: Das entscheide nicht ich, sondern die Mitglieder der CDU. Und zwar dann, wenn die Entscheidung ansteht, nicht jetzt.

Und was denken Sie, wie es 2021 um den Hahn steht?
Klöckner: Ich wünsche ihm und der Region eine echte Zukunftsperspektive. Als Opposition bleiben wir deshalb wachsam und beteiligen uns mit Vorschlägen. flor

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