Das Problem liegt auf dem Platz

Trier · Während in den Niederlanden aktuell reihenweise Kunstrasenplätze wegen möglicher Gesundheitsgefahren durch Granulate gesperrt werden, ist das Problem auch in der Region bestens bekannt. Der TV hat sich bei Kommunen, Sportplatzplanern und Vereinen umgehört und ist dabei auf überraschende Erkenntnisse gestoßen.

Trier. Jetzt hat auch Ajax Amsterdam reagiert. Der niederländische Rekordmeister ist bekannt für seine ausgezeichnete Jugendarbeit. Johan Cruyff ist daraus hevorgegangen, Rafael van der Vaart ebenfalls und auch Frank de Boer. Seit 20 Jahren trainieren die hoffnungsvollen Nachwuchstalente des Clubs gemeinsam mit den Profis auf dem Trainingsgelände De Toekomst im Süden der Metropole. Auf dem Komplex befinden sich mehrere Kunstrasenplätze. Vier davon hat der Club nun sperren lassen - weder Nachwuchs- noch Profispieler dürfen sie mehr betreten. Der Grund: Ajax befürchtet, das Granulat auf den Plätzen könne krebserregend sein. So schnell wie möglich sollen die Anlagen nun ausgetauscht werden, informiert der Club.
Möglicherweise krebserregende Granulate auf Kunstrasenplätzen - es ist in diesen Tagen das Thema im holländischen Fußball. Dutzende Amateurmannschaften weigern sich derzeit, ihre Plätze zu betreten - aus Angst vor der möglichen Gefahr aus Gummi. Auslöser sind Untersuchungen von Wissenschaftlern der Universität Utrecht.
Darin heißt es, zahlreiche Kunstrasenplätze in den Niederlanden könnten eine Gesundheitsgefahr darstellen, weil sie mit sogenannten Styrol-Butadien-Rubber-Granulaten (SBR) verfüllt seien. Diese schwarzgefärbte Granulat-Form wird aus alten Autoreifen hergestellt und steht im Verdacht, Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK, siehe Extra) zu enthalten, von denen einige als krebserregend gelten.
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Lothar Jakoby hat in den letzten Jahren viel Zeit auf Kunstrasenplätzen der Region verbracht. Für das Wittlicher Ingenieurbüro John & Partner plant und bauleitet er seit mehr als 15 Jahren derartige Anlagen. "Kommunen und Vereine beauftragen uns, gemeinsam mit dem Bauherrn planen wir den Platz, schreiben das Projekt aus und betreuen die Arbeiten bis zur Fertigstellung."
Die mit einem neuen Kunstrasen versehenen Plätze in Tawern, Konz und Mehring sind unter seiner Federführung entstanden. "Gegen SBR-Granulate" - das betont Jakoby immer wieder - "habe ich eine große Aversion, davon kann ich aus eigener Erfahrung nur abraten". Rund um SBR-Granulate aus recycelten Auto- und LKW-Reifen werde sehr viel schöngeredet und verharmlost. "Fakt ist, es kann niemand sagen, dass diese Granulate - auch solche, die PU- ummantelt sind - zu 100 Prozent einwandfrei für Menschen sind." Dabei, so Jakoby, seien SBR-Granulate nicht nur auf niederländischen Plätzen zu finden, auch in Deutschland und auch in Rheinland-Pfalz würden Styrol-Butadien-Rubber-Granulate verwendet. "Ich weiß von einem Platz in Mainz, der mit SBR-Granulat verfüllt ist", sagt Jakoby.
Mit Sicherheit seien unter den rund 150 Kunstrasenplätzen im Gebiet des Fußballverbandes Rheinland weitere mit Recycling-Granulat aus Altreifen zu finden; wie viele das sind, könne er allerdings nicht abschätzen. "Mit Sicherheit kann ich sagen, dass auf den Plätzen in Tawern, Konz, Schweich, Saarburg, Thomm und Mehring kein SBR-Granulat verfüllt wurde", betont er.
Dort sei sogenanntes technisches Granulat - Thermoplastisches Elastomer (TPE) bzw. ein neu entwickeltes PE-Granulat - verwendet worden. "Das ist zwar wesentlich teurer, dafür aber auch deutlich abriebbeständiger und sicherer", erklärt Jakoby.
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Wie es sich anfühlt, direkt mit SBR-Granulat in Kontakt zu kommen, weiß Josef Weirich sehr genau. Weirich war knapp 30 Jahre lang Vorsitzender des SV Tawern und dazu noch langjähriger Ortsbürgermeister der Gemeinde im Kreis Trier-Saarburg.
"Als wir Anfang der 2000er Jahre unseren ersten Kunstrasenplatz bekommen haben, wurde darauf SBR-Granulat verwendet." Das habe gestunken und stark abgefärbt. Nach fünf Jahren habe die Gemeinde das Granulat erneuern lassen, danach ummanteltes schwarzes Granulat verwendet - mit der Zeit habe sich allerdings die Ummantelung aufgelöst.
"Deswegen haben wir nun bei der Erneuerung des Platzes im September besonders darauf geachtet, dass gesundheitlich unbedenkliches Material eingebaut wird - denn wir haben uns über die Gesundheitsgefahren im Vorfeld eingehend informiert", erzählt Weirich.
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Auf dem Trierer Stadtgebiet gibt es derzeit fünf Kunstrasenplätze. Stadt-Pressesprecher Ralf Frühauf kennt die Problematik des SBR-Granulats. Er sagt: "Aufgrund einer anderen Systembauweise besitzen die niederländischen Plätze im Gegensatz zu den in Deutschland gebauten Anlagen in der Regel keine elastischen Unterbauten und benötigen daher deutlich mehr Granulat als Einfüllmaterial."
Aus Kostengründen werde in den Niederlanden daher überwiegend das günstigere SBR-Granulat verfüllt. "Die Mehrzahl der deutschen Kunstrasenplätze wird jedoch mit neuem elastischen Granulat aus EPDM, einem synthetischen Kautschuk, verfüllt." Dieses Material, so Frühauf, erfülle die europäische Spielzeugnorm EN 71-3 und liege in den diskutierten PAK-Werten weit unter den gesetzlich angegebenen Grenzwerten.
"Auch in Trier wurde bei allen Kunstrasenplätzen ausschließlich dieses EPDM-Granulat aus deutscher Herstellung verwendet, sowohl beim Bau (wie aktuell in Trier-Zewen) als auch bei der regelmäßigen Nachverfüllung im Rahmen der Kunstrasenpflege."
35 Kilometer weiter nördlich in Bitburg gibt es aktuell genau einen Kunstrasenplatz, Baujahr 2009. Welches Granulat darauf liege, gesteht Ralf Mayeres von der Stadtverwaltung, könne er aus dem Stegreif nicht sagen. "Es war damals nicht die billigste Variante, das steht fest", so Mayeres, "aber wir werden nun eine Anfrage an das Bauunternehmen stellen, damit wir schwarz auf weiß erfahren, um welches Granulat es sich dort handelt".
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Gerne hätten wir auch das rheinland-pfälzische Umweltministerium zu dieser Thematik befragt. Die Fragen blieben allerdings vier Tage lang unbeantwortet.
Derweil empfiehlt der Deutsche Fußball-Bund nach eigenen Angaben bereits seit 2006, beim Bau von Kunstrasenplätzen Neu-Gummi zu verwenden.

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